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Berlin: Härtegegen Ehrenmörder

Mahmut S. floh vor der Berliner Justiz in die Türkei. Ein schonendes Urteil erwartet ihn dort aber nicht

Noch gilt in der Türkei das mildere Gesetz. Das Ehregesetz, nach dem derjenige, der tötet, weil seine Ehre beschädigt wurde, eine gnädige Bestrafung erwarten kann. Es gilt noch bis April, aber schon jetzt wenden viele Gericht das neue Gesetz an, das keine Schonung und Strafnachlässe kennt – es ebnet den Weg der Türkei Richtung EU. Und das wird aller Voraussicht nach auch Konsequenzen haben für den Berliner Türken Mahmut S., den mutmaßlichen Mörder, der am 4. Januar in Neukölln seine Lebensgefährtin ermordet haben soll.

S. war wenige Tage nach der Tat ins nordwesttürkische Bursa geflohen, wo die türkische Polizei ihn festgenommen hat. Die Behörden wollen ihn nicht an Deutschland ausliefern, sondern selbst vor Gericht stellen. Nach den Ermittlungen der Polizei hat der 33-jährige S. die um ein Jahr jüngere Meryem Ö. erwürgt. Die beiden haben fünf Kinder, waren aber nicht standesamtlich verheiratet, sondern nur in einer so genannten Imam-Ehe. Eine solche Trauung durch einen moslemischen Geistlichen gilt weder in der Türkei noch in Deutschland als offizielle Eheschließung. S. war kurz vor der Tat aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen; weshalb er sich mit Meryem Ö. zerstritten hatte, ist bisher unklar. Nach Presseberichten soll S. den Mord bei der türkischen Polizei gestanden haben. Seine Frau habe ihn nicht mehr geliebt, soll er ausgesagt haben.

Sollte die Tat auf das verletzte Ehrgefühl von S. zurückzuführen sein, wird er nun vermutlich auch vor einem türkischen Gericht keine mildere Strafe mehr mit dem Hinweis verlangen können, er sei durch das angeblich ehrlose Verhalten von Meryem Ö. zu dem Mord provoziert worden. Strafnachlässe für „Ehrenmorde“ waren zwar bisher geltendes Recht in der Türkei – besonders in der Provinz werden immer wieder Frauen von ihren eigenen Familien getötet –, aber damit macht das neue türkische Strafrecht Schluss, das nach Vorgaben der EU erarbeitet wurde.

S. könnte sich vor Gericht allerdings auch unter den neuen Gesetzen darauf berufen, im Affekt gehandelt zu haben: Wenn auch das Gericht zu dem Schluss kommt, dass es sich nicht um einen kaltblütig geplanten Mord gehandelt hat, sondern um Totschlag, wäre in der Türkei – wie auch in der EU – eine mildere Strafe möglich. Bei guter Führung könnte S. darauf hoffen, einen Großteil seiner Strafe erlassen zu bekommen.

Auch andere türkische Straftäter waren in der Vergangenheit aus Deutschland geflohen, um einem Gerichtsverfahren in der Bundesrepublik zu entgehen. Im vergangenen Jahr setzte sich Ali Göbelek, der als mutmaßlicher Mörder von fünf Menschen in Augsburg gesucht wurde, in die Türkei ab. Auch Göbelek wurde in der Türkei gefasst, eine Auslieferung abgelehnt. Die türkischen Behörden bereiteten einen eigenen Prozess gegen Göbelek vor. Wenige Monate nach seiner Festnahme beging der Mann in der Untersuchungshaft allerdings Selbstmord.

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