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Hängepartie in Berlins Justiz beendet – teilweise: Nur zwei Gerichtspräsidenten gewählt, Kandidat mit CDU-Parteibuch fällt durch
Berlins Richterwahlausschuss stimmte am Mittwoch über die Präsidentenposten der beiden Landgerichte und des Amtsgerichts Tiergarten ab. Das Ergebnis wirft Fragen auf.
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Erstaunliches Ergebnis für die Berliner Justiz: Der Richterwahlausschuss hat nach Tagesspiegel-Informationen am Mittwoch den Vorschlägen von Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) für die Präsidenten am Landgericht I und am Amtsgericht Tiergarten zustimmt, doch der Kandidat für das Landgericht II wurde abgelehnt. Letzterer Posten muss wohl neu ausgeschrieben und das Verfahren komplett neu gestartet werden.
Damit ist die Hängepartie um Spitzenposten in der Justiz nur teilweise beendet. Bereits in der vergangenen Woche wählte das Abgeordnetenhaus nach monatelangem Hickhack hinter den Kulissen Andrea Diekmann mit einer Mehrheit von 92 Prozent zur Präsidentin des Kammergerichts. Doch der Vorgang im Richterwahlausschuss am Mittwoch wirft Fragen auf – nämlich, inwieweit die Bestenauslese nach dem Grundgesetz in Berlin noch gilt, die Richterschaft mit ihren Strukturen abseits davon eigene Ziele verfolgt und welche Rolle Parteipolitik spielt.
Christoph Mauntel wird Landgerichtspräsident
Beide Landgerichte entstanden zu Jahresbeginn durch Aufteilung des bisherigen Landgerichts. Nummer eins ist zuständig für Strafsachen, das zweite für Zivilstreitigkeiten. Zum Präsidenten des Landgerichts I wurde nun der bisherige Vizepräsident Christoph Mauntel gewählt. Dabei hatte der Präsidialrat des Kammergerichts der Personalie zuvor nicht zugestimmt – weil das Besetzungsverfahren seit fast zwei Jahren läuft, Mauntel am Ende der einzige Kandidat war, es aber inzwischen bessere Bewerber geben könnte.
Obendrein war Mauntel, dem eine Nähe zu den Grünen nachgesagt wird, zunächst sogar zweite Wahl. Zuerst hatte der im Frühjahr pensionierte Kammergerichtspräsident Bernd Pickel den Präsidenten des Amtsgerichts Charlottenburg, Peter Scholz, als Favoriten gesetzt, denn der hatte eine höhere Besoldungsstufe als Mauntel.
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Doch Scholz war im Frühjahr beim Präsidialrat des Kammergerichts und im Richterwahlausschuss durchgefallen. Kritik gab es, weil er 2026 schon in Pension geht. Scholz bewarb sich dann für das Amtsgericht Tiergarten, das seit Sommer keinen Präsidenten mehr hat. Dem stimmte dann der Präsidialrat zu, jetzt auch der Wahlausschuss. Verhandelt wird über eine längere Dienstzeit für ihn, damit die neue höhere Soldstufe auch noch auf seine spätere Pension einzahlt.
Durch die Scholz-Rochade war Mauntel wieder für das Landgericht im Rennen – als einziger Bewerber, aber ohne positives Votum des Präsidialrates. Dennoch wurde er nun gewählt.
Sathia Lorenz verpasst für das Landgericht II die Mehrheit
Das Landgericht II bleibt dagegen weiter ohne Präsidenten, der Vorgang ist bemerkenswert. Denn der Richterwahlausschuss soll entscheiden, ob ein Bewerber die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für ein Amt besitzt. Für die Landgerichte war das Besetzungsverfahren noch unter Rot-Grün-Rot Ende 2022 gestartet worden.
Als besten Bewerber für das Landgericht II hatte Pickel Sathia Lorenz vorgeschlagen. Der war als Richter tätig und ist aktuell Abteilungsleiter im NRW-Landtag. Er war für Pickel die Nummer eins, weil er die mit Abstand höchste Besoldungsstufe hat. Auch der für Mauscheleien bei Postenvergaben überaus sensible Präsidialausschuss stimmte Lorenz zu.
Doch der Richterwahlausschuss, besetzt mit Abgeordneten, Vertretern von Gerichten, Staatsanwaltschaft und Rechtsanwälten, lehnte Lorenz am Mittwoch erneut ab. Bereits im April hatte Lorenz im ersten Wahlgang die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Richterwahlausschuss verpasst.
So störten sich damals dem Vernehmen nach einige im Gremium daran, dass mit Lorenz ein aktiver CDU-Mann von außerhalb unter einer CDU-Senatorin Landgerichtspräsident werden soll. Er ist im Vorstand des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen (BACDJ). Auch wurde ihm zu wenig Dienstzeit als Spruchrichter angekreidet. Nun hätte im zweiten Wahlgang mehr als die Hälfte der Stimmen gereicht – doch Lorenz scheiterte erneut.
Bemerkenswert an den Vorgängen ist auch, dass sich ein Mitglied des zur Verschwiegenheit verpflichteten Richterwahlausschusses, kürzlich zum Prozedere äußerte – allerdings in anderer Funktion. Katrin Schönberg, Richterin am Kammergericht und Vorsitzende des Deutschen Richterbundes in Berlin, ließ sich von der Berliner Morgenpost vor drei Wochen zu dem Posten-Hickhack zitieren, mit dem auch der Richterwahlausschuss befasst ist.
„Ich finde es seltsam und ein Stück weit auch traurig, dass die Präsidentenstellen so lange unbesetzt sind“, sagte Schönberg. Das sei auch im Vergleich zu anderen Bundesländern ungewöhnlich. Letztlich sei es Aufgabe der Verwaltung, für ein ordnungsgemäßes Verfahren zur rechtzeitigen Besetzung zu sorgen, sagte Schönberg, die am Mittwoch aber nicht im Ausschuss gewesen sein soll.
Es ist ein möglicher Seitenhieb auf Justizsenatorin Badenberg. Doch die hat kaum Eingriffsrechte, sie kann maximal darauf verzichten, dem Ausschuss nach gescheitertem ersten Wahlgang Bewerber vorzuschlagen. So wie es einst Badenbergs Vor-Vorgänger Dirk Behrendt (Grüne) getan hat. Für die Bewerberauswahl und einen Vorschlag ist zunächst die Führung des Kammergerichts zuständig.
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