Berlin: Harte Linie gegen laxe Wirte
Nach dem Alkoholtod eines 16-Jährigen fordern Politiker schärfere Kontrollen des Jugendschutzes
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Nach den jüngsten Alkoholexzessen von Jugendlichen hat die Senatsgesundheitsverwaltung die Kneipenkontrolleure der Bezirke und der Polizei aufgefordert, härter gegen Wirte vorzugehen, die Jugendlichen unerlaubt Alkohol verkaufen. „Den Wirten muss deutlich sein, dass es bei Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz schmerzhafte Strafen gibt“, sagte Matthias Apel vom Büro der Landesdrogenbeauftragten am Freitag. Er wandte sich gegen den Ruf nach härteren Gesetzen, der nach dem Alkoholtod eines 16-jährigen Schülers laut geworden war. „Wenn die Gesetze von Wirten eingehalten werden, ließen sich dramatische Fälle wie dieser verhindern“, sagte Apel. Denn jeder Alkohol, der von Jugendlichen getrunken werde, sei vorher „durch die Hände von Erwachsenen gegangen“. Aus Sicht der Landesdrogenbeauftragten müssten unangekündigte Kontrollen und schmerzhafte Strafen für Wirte zeigen, dass der Ausschank hochprozentiger Getränke an Jugendliche „kein Kavaliersdelikt“ sei.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat nach dem Tod des 16-jährigen Zehlendorfers seine Mitgliedsunternehmen aufgefordert, dem Jugendschutz „oberste Priorität“ zu geben. „Wer glaubt, seine Geschäfte mit der Abgabe von Spirituosen an Jugendliche machen zu können, denkt kurzfristig, handelt illegal, riskiert seine berufliche Existenz und schädigt das Image der Branche“, sagte Dehoga-Präsident Ernst Fischer. Er erinnerte daran, dass Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz mit Bußgeldern von bis zu 50 000 Euro geahndet werden könnten. „Im Wiederholungsfall droht Konzessionsentzug“. Der Gaststättenverband empfiehlt seinen Mitgliedern auch, auf so genannte Flatrate-Partys zu verzichten, bei denen Gäste für einen Pauschalpreis unbegrenzt Alkohol trinken können. Möglicherweise hatte auch der jetzt nach längerem Koma gestorbene Lukas W. an einer derartigen Party teilgenommen. Er war im Februar nach angeblich rund 50 Tequila in einem Lokal mit 4,8 Promille zusammengebrochen und seitdem nicht aus dem Koma erwacht. In der Nacht zu Donnerstag ist er an den Folgen eines Kreislaufversagens gestorben.
Unterdessen ist zwischen dem Bezirk Neukölln und der Polizei ein Streit um die Kontrollen von Kneipen entbrannt. Polizeipräsident Dieter Glietsch wies gestern Vorwürfe der Neuköllner Gesundheitsstadträtin Stefanie Vogelsang (CDU) zurück. Sie hatte kritisiert, dass bei der Polizei „sieben oder acht Beamte für ganz Berlin alle Kiosken, Kneipen und Tankstellen kontrollieren, ob sie das Jugendschutzgesetz einhalten.“ Nach Angaben des Polizeipräsidenten sind 78 Beamte des Landeskriminalamtes für stadtweite Gewerbekontrollen, unter anderem in Gaststätten, zuständig. Darauf wies Polizeipräsident Dieter Glietsch am Freitag hin. Vogelsang beharrte gestern auf ihrer Einschätzung: „Die 78 Beamte möchte ich sehen“, sagte die CDU-Politikerin dem Tagesspiegel. Tatsächlich ist die zuständige Dienststelle 25 des Landeskriminalamtes (LKA), bekannt als „Gewerbeaußendienst“, mit vielen ganz anderen Kontrollen befasst. Auch beim LKA hieß es, dass der Kontrolle des Jugendschutzes „ein ganz kleiner Nebeneffekt“ bei der Arbeit des LKA 25 sei.
Stadträtin Vogelsang lud Polizeipräsident Glietsch zu einem runden Tisch mit Jugend-, Gesundheits- und Ordnungsamt ein. „Wir brauchen eine Soko Suff“, forderte Vogelsang. Falschparker würden strenger verfolgt als Alkoholausschank an Jugendliche. Nach dem Tod des Jugendlichen müsse man „für zwei, drei Monate eine Schwerpunktaktion starten“, um Betreiber von Kiosken, Tankstellen und Imbissen über die Gesetzeslage und drohende Bußgelder zu informieren. Auch der Polizeipräsident sagte, „dass der Jugendschutz gemeinsame Aufgabe der Jugendämter und der Polizei“ sei. Die Zusammenarbeit müsse verbessert werden.
Auch an diesem Wochenende gibt es in der Stadt wieder zahlreiche Flatrate-Partys. Für 15 Euro galt in einem Lokal in Prenzlauer Berg gestern ab 20 Uhr „All-you-can -Drink“ – „Soviel Du trinken kannst“. Diskotheken in anderen Bezirken werben mit einer so genannten „Happy Hour“: Ein Getränk bezahlen und dafür zwei Getränke bekommen. „Die Leute trinken durch solche Angebote deutlich mehr“, sagt ein Gastronom.
Das Jugendschutzgesetz verbietet die Abgabe von Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren. Außerdem ist es verboten, Spirituosen wie Tequila und Wodka an unter 18-Jährige zu verkaufen. Doch die Einhaltung dieser Bestimmungen zu überprüfen sei quasi nicht möglich, heißt es aus dem Bezirksamt Mitte. Allein dort müssten 3000 Kneipen und Clubs kontrolliert werden. „Dazu haben wir kein Personal“, sagt ein Mitarbeiter des zuständigen Jugendamtes. Das müsse eher die Polizei machen. Gelegentlich bekomme man Hinweise vom Gewerbeamt, das im Außendienst in Mitte zwei Mitarbeiter beschäftigt. „Nur wenn denen nebenbei was auffällt, erfahren wir, wo Alkohol an zu junge Gäste ausgeschenkt wird“, heißt es aus dem Bezirksamt. Unzufrieden ist ein Abteilungsleiter mit der Politik: „Wenn doch mal ein Gastronom erwischt wird, gibt es nur ein Ordnungsgeld.“ Das schrecke niemanden ab, bei Verstößen gegen den Jugendschutz müsse sofort die Konzession entzogen werden, sagte er weiter.
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