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Katrin Maiworm arbeitet seit 20 Jahren in der Hasenschänke.

© David Heerde

Hasenschänke in der Hasenheide: Als das Kamel an die Theke kam

Bei der Hasenheide in Neukölln denken viele an Drogen und Ärger. Dabei gibt es hier seit fast 60 Jahren eine Oase, die Alteingesessene und Zugezogene schätzen. Einige kommen jeden Tag. Ein Besuch.

Diese Frage muss Peter erst einmal sacken lassen. In 35 Jahren Hasenschänke ist schließlich so einiges passiert, was soll da die beste Geschichte sein? Nach einem hilfesuchenden Blick zu seinem Bruder, der gerade zu Besuch ist, legt sich der sonnengebräunte 58-jährige Stammgast dann doch fest. „Also einmal kam ein Tierpfleger aus dem kleinen Zoo unten im Park und wollte ein Bier trinken“, setzt Peter an, „der Typ hatte aber sein Kamel an der Leine dabei und hat sich ganz normal in der Schlange angestellt.“

Sein Bruder Stephan ist damit nicht ganz zufrieden und fordert die Anekdote von den drei Rockern. „Das waren so richtig heavy Typen, ich dachte, die nehmen jetzt gleich den Laden auseinander“, sagt der gebürtige Rheinländer und lacht, „und dann bestellen die sich an der Kasse alle ganz brav ein Eis, Flutschfinger oder so was.“ Auf die Pointe wird erst einmal angestoßen.

20. Sommer in der Schänke

Nach einem heißen Augusttag lässt es sich mittlerweile mitten im Volkspark Hasenheide in Neukölln auch in der Abendsonne ganz gut aushalten. Bildeten die einzelnen Tische am Nachmittag noch einen großen Halbkreis um die Lichtung im Schatten der Bäume, trauen sich die Gäste nun immer mehr ins sonnendurchflutete Zentrum der Schänke.

Einzelne Gäste sitzen lesend auf den Plastikstühlen an runden Klapptischen, Gruppen unterhalten sich oder spielen Karten, jedoch alle in einem moderaten Ton und einem gemäßigten Tempo. Mittendrin machen es sich Peter und sein Bruder Stephan gemütlich. „Ich sage ja immer, ich gehe in meinen Garten“, sagt Peter, der im Sommer fast jeden Tag hier ist. Er richtet seinen Tisch optimal zur Sonne aus und sagt dann: „Das Gute ist, dass ich den Garten nicht pflegen muss.“

Die Hasenschänke in der Hasenheide.
Die Hasenschänke in der Hasenheide.

© David Heerde

Katrin Maiworm beobachtet schmunzelnd das große Tischerücken, das der Neuköllner Kiezchronist und Lesebühnenstar Uli Hannemann einmal mit dem Sonnenkult einer Druidenreligion verglichen hat. Die 48-jährige Wirtin der Hasenschänke kennt die Abläufe genau, geht sie doch mittlerweile in ihren 20. Sommer in der Schänke.

1992 eröffneten ihre Eltern eine Kneipe in Neukölln, 1996 übernahmen sie den Imbiss und die Tochter half von Anfang an mit. Seit drei Jahren schmeißt die gebürtige Oranienburgerin den Laden mit der Hilfe ihrer beiden Brüder. Nächstes Frühjahr stehe also ihre Porzellanhochzeit mit dem Imbiss des Jahres an, sagt die Wirtin lachend.

Viele kommen seit Jahrzehnten

Es ist bemerkenswert, dass sich die Maiworms so kurz nach der Wende nach Neukölln wagten. „Ich bin ja ein Zoni, da kommen schon mal Sprüche“, sagt die Chefin. Zwischendurch begrüßt sie Stammgäste und deren Hunde namentlich. „Es ist ja nicht so, dass man sich stundenlang mit den Gästen unterhalten kann wie in einer Eckkneipe, aber die meisten hier kenne ich schon ein bisschen.“

Viele kommen wie Peter seit Jahrzehnten hierher. „Da bekommt man schon auch harte Schicksale mit“, sagt Maiworm. Abends fährt sie aber immer noch zurück nach Oranienburg, wo sie in den umliegenden Seen auch ihrem exotischen Hobby, dem Tauchen im Trockenanzug, frönt.

Eine bunte Mischung

Das Gebäude mit dem nierenförmigen Dach ist 1952 erbaut worden und dient seitdem als Imbiss. Viel geändert hat sich in den gut 60 Jahren nicht, das Vordach auf seinen acht Säulen strahlt noch immer den Charme einer Tankstelle aus. Nur das Graffito an den Wänden ist relativ neu. Nachdem die Wirte keine Lust mehr hatten, immer wieder die Schmierereien auf der vormals weißen Wand zu übermalen, engagierten sie einen Sprayer, der die charakteristischen, ins Kartenspiel vertieften Hasen erschuf.

"Stell mal das Alkoholfreie weg, wir wollen ja keinen falschen Eindruck erwecken", sagt Stephan zum Stammgast und Bruder Peter.
"Stell mal das Alkoholfreie weg, wir wollen ja keinen falschen Eindruck erwecken", sagt Stephan zum Stammgast und Bruder Peter.

© David Heerde

Bei aller Konstanz der direkt neben dem Freiluftkino und dem Rosengarten gelegenen Oase spiegeln sich auch hier die Veränderungen in den umliegenden Kiezen wider. „Es kommen mehr jungsche Leute, man hört viel Spanisch, Englisch und Italienisch“, sagt Maiworm, „es sind auch mehr Familien da.“ Ihr gefällt die bunte Mischung und sie versichert mehrmals, dass es trotz der unterschiedlichen Milieus eigentlich nie zu Stress komme.

Sitzen ohne Kaufzwang

Aus irgendeinem Grund machen die jungen Männer, die hauptsächlich im Nordteil des Parks mit Marihuana und anderen Drogen dealen, einen großen Bogen um die Schänke – außer um hin und wieder ganz artig einen Coffee to go zu kaufen. Auch wenn in der Dämmerung leise ein Streifenwagen auf dem Weg an den Klapptischen vorbeifährt, ist von den dunklen Seiten der Hasenheide, wo es immer wieder Probleme gibt, in der Schänke wenig zu spüren.

Auch die junge Mutter Renée schätzt die Ruhe der Gaststätte. „Hier kann man gemütlich sitzen ohne den Kaufzwang wie in anderen Biergärten“, sagt die 31-Jährige, während sie ihren kleinen Sohn mit einem Apfel füttert. Sie kommt etwa zwei Mal in der Woche in die Schänke, manchmal auf dem Heimweg vom Spielplatz, manchmal, um dort Freunde zu treffen.

Kartoffelsalat und Quiche

Einziges Manko der Schänke ist aus ihrer Sicht der sandige Boden: „Das ist alles andere als optimal für Kinder zum Grabbeln.“ Besonders toll findet Renée hingegen, dass es Schokoküsse für ein paar Kupfermünzen auch einzeln zu kaufen gibt. Außerdem sehe man hier unterschiedliche Leute und nicht nur die übliche Latte-Macchiato-Klientel.

Obwohl Maiworm beim Wort Tofuwurst angeekelt das Gesicht verzieht, stellte sie mit Blick auf die neuen Kunden das Angebot nach und nach um. Mittlerweile gibt es auch vegetarische Quiche, Kräuterlimonade und Naturradler ohne Süßstoffe. Trotzdem sind die Imbissklassiker noch immer vorhanden: Bockwurst, Wiener und Knacker serviert mit Brötchen oder Kartoffelsalat. Letzterer ist mit so viel Mayonnaise angerichtet, dass man die Kartoffelstücke mühsam suchen muss, Altberliner Art eben.

Mittlerweile verschwindet die Sonne mehr und mehr hinter den Baumwipfeln. Renée und ihre Freunde sind schon gegangen. Die letzten Sonnenstrahlen des Abends erleuchten Peter und Stephan. Die beginnen wieder mit dem Stühlerücken. Peter weiß, wo in seinem Garten am Abend der perfekte Platz ist.

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