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Eine echte Berliner Marke. Heinz Buschkowsky war Bürgermeister in Berlin-Neukölln.

© picture alliance / dpa

Ex-Bürgermeister von Neukölln über Flüchtlinge in Berlin: Heinz Buschkowsky: „Angst um unsere Stadt“

In der Urania wurde über Flüchtlinge diskutiert. Heinz Buschkowsky redete über Integration, Pflichten und alleinstehende Männer.

Die Antwort kam wieder einmal vom ehemaligem Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Auf die Frage, wie Integration denn gelingen könne, erwiderte er mit einfachen vier Worten: „Wenn alle es wollen“.

Das war noch ganz am Anfang der Flüchtlingsdebatte in der Urania am Mittwochabend, aber da war schon klar, dass der Sozialdemokrat so mühelos wie eh und je sein Auditorium für sich gewinnen kann. Entspannt und in ausgebeulten Jeans dasitzend konnte er sagen, was er wollte – der Applaus war ihm sicher.

Und er sagte eine ganze Menge im Laufe des Abends. Zum Beispiel, dass Deutschland ein Bundesministerium für Einwanderung braucht, damit der Prozess der Integration nicht an  „Beliebigkeit“ und „Laissez faire“ scheitert. Und dass es nötig ist, jetzt ganz genau hinzusehen, weil „die 600.000 alleinstehenden jungen Männer, die 2015 eingewandert sind, per se ein Gefahrenpotential darstellen“.

Aber auch der HU-Politikwissenschaftler Herfried Münkler traf die Stimmung der großteils älteren der 300 Urania-Zuhörer, als er mehrfach vor einer „Katastrophe“ sprach. Damit meinte er etwa die Lage abgelehnter Asylbewerber, die zwar noch geduldet sind, jedoch keine Perspektive haben; aber er meinte damit auch die lange Verweildauer von Geflüchteten in den Massenunterkünften: Wenn es nicht gelinge, die entsprechenden Verwaltungsvorgänge umzustellen, „wird die Politik scheitern“, mahnte Münkler.

Katja Kipping von den Linken hatte es schwer

Die anderen Diskutanten hatten es angesichts der Eloquenz  und der klaren Positionierung Münklers und Buschkowskys nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen.

Insbesondere die Bundesvorsitzende der Linken, Katja Kipping, kam beim Urania-Publikum nicht gut an. Ihr Versuch, angesichts der Vorkommnisse am Kölner Hauptbahnhof auch auf die häusliche sexuelle Gewalt in Deutschland hinzuweisen, ging in verärgerten Zwischenrufen aus dem Publikum ebenso unter wie der Hinweis, dass es Parallelgesellschaften auch in Sachsen gebe – in Form der Rechten und ihrem explodierenden Rassismus.

„Da überheben sich Leute mit ihrem Helfersyndrom“

Nicht viel besser erging es dem Berliner Integrationsbeauftragten Andreas Germershausen. Mit seinen Hinweisen auf „Verwaltungshandeln“ oder die Bedeutung von Stadtteilmüttern traf er nicht den Ton, der von ihm erwartet wurde. Selbst Buschkowsky, der Erfinder der Stadtteilmütter, mochte darüber nicht länger reden, sondern kritisierte lieber die Phase  der „obsoleten“ deutschen Grenzen als  „in der Menschheitsgeschichte einmalig“. Es mache ihn „nervös“, wenn Ehrenamtliche behaupteten würden, sie könnten jetzt Hunderttausenden Zuwanderern Deutsch beibringen: „Da überheben sich Leute mit ihrem Helfersyndrom“, findet der Neuköllner, der auch an diesem Punkt den Applaus auf seiner Seite hatte.

Die Teilnehmer der Runde in der Urania am Mittwochabend.

© Susanne Vieth-Entus

Buschkowsky habe „natürlich Recht“, wenn er ausführe, dass Deutschland jährlich eine Millionen Einwanderer nicht integrieren könne, hakte an dieser Stelle HU-Professor Münkler ein. „Aber was heißt das?“ fragte er, um gleich selbst die Antwort zu geben: Wenn die Flüchtlinge in Deutschland abgewiesen würden und auch in Schweden, Dänemark und anderen Ländern nicht aufgenommen würden, „dann stauen sich die Menschen in Bosnien oder Griechenland: Der ganze östliche Balkan bricht dann zusammen“, warnte Münkler. Die Folge seien „failed states und wer das nicht sagt, der betrügt“, dozierte der Politikwissenschaftler. Aber er beschrieb auch, was passieren kann, wenn der Zuzug nach Deutschland so weitergeht: „Wir werden eine Situation bekommen, in der die Städte volllaufen und dann haben wir Stadtviertel, die sich von Brixton in London nicht unterscheiden“. Man musste nicht wissen, dass Brixton zu den gefährlichsten Gegenden Londons gerechnet wird, um das als klare Warnung Münklers zu verstehen.

Die Flüchtlinge sollen über das Land verteilt werden

Buschkowsky wurde dann nochmal grundsätzlich, nachdem Münkler berichtet hatte, wie schwierig es mitunter in den Flüchtlingsheimen zu erreichen ist, dass muslimische Frauen etwa zu Mutter-Kind-Veranstaltungen außerhalb des Heims gehen dürfen: „Es geht nicht nur um die Frauenrolle, es geht um die Grundfesten einer liberalen Gesellschaft“, mahnte der ehemalige Bürgermeister.

Wenn Männer in Ländern aufgewachsen seien, in denen „die Wahrheit mit Gewalt vertreten wird“, dann sei es „nicht so einfach, so jemanden umzupolen“. Umso klarer müsse sich die deutsche Gesellschaft verhalten: „Wir dürfen nicht wackeln“, mahnte Buschkowsky . Er habe „Angst um unsere Stadt“, fügte er hinzu. Um die Risiken zu senken, müssten die Flüchtlinge, ähnlich wie früher die Spätaussiedler, „über das Land verteilt werden“.

Ein „Leitbild“ für das Zusammenleben wird gefordert

„Die Kölner Ereignisse zwingen uns zu einer Verständigung darüber, wie wir miteinander leben wollen“, steht für die Soziologin Annette Treibel fest, die für Deutschland als „selbstbewusstes Einwanderungsland plädiert. Sie warb auf dem Podium dafür, ein „Leitbild für das Zusammenleben der Kulturen“ zu entwickeln und auch mal zu würdigen, was bisher an guter Integrationsarbeit schon geleistet wurde.

Lesen Sie mehr im Tagesspiegel: Das sagt Buschkowskys Nachfolgerin im Rathaus Neukölln. Franziska Giffey sagt, die Fehler der Vergangenheit - vor allem bei der Integration - dürften nicht wiederholt werden.

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