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Holger Stahlknecht (CDU), Vorsitzender der CDU Sachsen-Anhalt, erteilt einer Koalition mit der AfD eine Absage.

© Klaus-Dietmar Gabbert

CDU-Chef von Sachsen-Anhalt: Herr Stahlknecht, ist die AfD noch zu stoppen?

Holger Stahlknecht, Innenminister in Sachsen-Anhalt, spricht im Interview über die schwierige Regierungsbildung nach den Ost-Wahlen – und die Lehren aus Weimar.

Von Frank Jansen

Holger Stahlknecht (54) empfiehlt den Parteifreunden in Sachsen und Brandenburg die Magdeburger Kenia-Koalition als Vorbild für eine "stabile Regierungskonstellation". Der Koalition gehe es darum, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken und, "den extremistischen Rändern eine klare Absage zu erteilen". Das sei eine Lehre aus der Weimarer Republik.

Der AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag bescheinigt der CDU-Politiker "unerträglichen Lärm, verbunden mit verbalen Entgleisungen". Tendenzen in der Landes-CDU, über eine Koalition mit der AfD nachzudenken, erteilt Stahlknecht eine klare Absage. Er betont auch, er stünde weder für eine Koalition mit der AfD noch für eine von ihr geduldete Minderheitsregierung als Innenminister oder Ministerpräsident zur Verfügung.

Herr Stahlknecht, ist die AfD im Osten noch zu stoppen?
Das ist eine merkwürdige Frage. Bei den letzten beiden Landtagswahlen ist die CDU in Sachsen und die SPD in Brandenburg stärkste Kraft geworden. Im Übrigen entspricht es meinem Demokratie- und Politikverständnis, dass ich als Landesvorsitzender der CDU bei den Bürgerinnen und Bürger für unsere politischen Überzeugungen und Lösungsansätze werbe. Dass andere Parteien eine andere Politik verfolgen, gehört zum politischen Wettstreit, solange dieser auf dem Boden des Grundgesetzes stattfindet. 

Sie empfehlen Ihren Parteifreunden in Sachsen und Brandenburg eine Kenia-Koalition. Warum?
Die Kenia-Koalition hat sich in Sachsen-Anhalt als stabile Regierungskonstellation gezeigt. Das liegt daran, dass alle Beteiligten gewillt sind, das Beste für Sachsen-Anhalt und seine Menschen zu erreichen. Natürlich müssen dabei auch Kompromisse eingegangen werden. Aber das ist das Wesensmerkmal unserer Demokratie. Gemeinsam mit der SPD und den Grünen ist es der CDU gelungen, viele Vorhaben zu realisieren – auch wenn es dazu im Vorfeld teilweise intensive Diskussionen gab.

 Ist eine Kenia-Koalition eine effiziente Methode, das Wachstum der AfD zu bremsen? Im August kam die AfD in einer Umfrage in Sachsen-Anhalt auf 21 Prozent. Nur die CDU war mit 28 Prozent stärker.
Aufgabe der Kenia-Koalition ist es, für das Land zu arbeiten und das Leben der Menschen zum Besseren zu verändern. Dabei geht es uns sicherlich auch darum, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken. Das schließt ein, die demokratische Mitte zu stärken und den extremistischen Rändern eine klare Absage zu erteilen. Das sollte eine der Lehren sein, die wir aus der Weimarer Republik gezogen haben.

 Was hat die Kenia-Koalition bisher in Sachsen-Anhalt erreicht?
Die Kenia-Koalition hat eine zukunftsfähige Polizeistruktur auf den Weg gebracht und diese mit einem enormen personellen Aufwuchs und millionenschweren Investitionen bei der Landespolizei untermauert. Sachsen-Anhalt war eines der ersten Bundesländer, das eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge im Land geregelt hat. Die Kenia-Koalition hat rechtzeitig vor dem 30-jährigen Jubiläum des Mauerfalls das Grüne Band, also die ehemalige innerdeutsche Grenze, zum Nationalen Naturmonument erhoben. Bei der wichtigen Nord-Süd-Verbindung, der Bundesautobahn A14, haben wir signifikante Fortschritte erzielt. Die Kenia-Koalition steht im Übrigen auch zum Braunkohlekompromiss.

Und was geht Ihnen in der Koalition auf die Nerven?
Unsere Demokratie lebt von intensiven Diskussionen, engagierten Debatten und am Ende auch von Kompromissen. Würde mich das stören, wäre ich am falschen Platz.

Mit welchem Regierungspartner kommen Sie besser zurecht – mit der SPD oder den Grünen?
Ich arbeite mit beiden Regierungspartnern konstruktiv zusammen, unsere Zusammenarbeit ist verlässlich und lösungsorientiert.

Vor der Kenia-Koalition waren Sie in Sachsen-Anhalt bereits Innenminister in einem schwarz-roten Kabinett. War das einfacher?
Es war anders, aber nicht einfacher. Es versteht sich von selbst, dass Absprachen unter drei statt zwei Partnern organisatorisch aufwändiger sind.

Die AfD stellt mit 21 Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion im Magdeburger Landtag. Wie kommt die Regierung damit klar?
Das setzt uns im Regierungshandeln nicht zu. Aber die AfD-Fraktion zieht Sitzungen in die Länge, sie veranstaltet teilweise unerträglichen Lärm, verbunden mit verbalen Entgleisungen. Sie vergiftet das Klima.

Beteiligen sich die AfD-Abgeordneten im Plenum und in den Ausschüssen an der Sacharbeit?
Ja, in unterschiedlicher Qualität und Güte. Jeder Redebeitrag führt allerdings zum Thema Migration und zu Ausländerfeindlichkeit, sodass gelegentlich vernünftige Äußerungen völlig untergehen.

Warum hat die AfD auch in Sachsen-Anhalt viel Zulauf?
Die AfD gibt vor, Schwieriges mit einfachen Antworten lösen zu können. Dieser Populismus ist verfänglich und äußerst gefährlich. Der Philosoph Karl Raimund Popper hat dies wunderbar auf den Punkt gebracht: „Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle.“

Halten Sie die AfD in Sachsen-Anhalt für ähnlich radikal wie in Brandenburg, Sachsen und Thüringen?
 Die AfD ist eine in vielen Teilen radikale Partei, die Stimmungen aufheizt und das politische Klima vergiftet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Identitäre Bewegung im Juli dieses Jahres als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Die Übergänge von der AfD zur Identitären Bewegung sind auch in Sachsen-Anhalt teilweise fließend.

Was macht die CDU in Sachsen-Anhalt im Umgang mit der AfD anders als SPD und Grüne?
Wir grenzen uns ab, aber nicht aus. Und vor allem stigmatisieren wir nicht alle Wähler der AfD und stellen sie unter Generalverdacht. Damit würden wir nur Verschwörungstheorien Vorschub leisten. Uns geht es um die inhaltliche Auseinandersetzung.

Die Werte-Union und ihr umstrittener Frontmann Hans-Georg Maaßen glauben, Sie würden konservative Wähler davon abhalten, von der CDU zur AfD zu wechseln. Halten Sie das für realistisch?
Die Volkspartei CDU hat verschiedene Flügel. Die Werte-Union und Herr Maaßen sind ein kleiner Teil, man sollte sie nicht wichtiger machen, als sie sind. Auch im Hinblick auf die anderen Strömungen. Die CDU war immer dann erfolgreich, wenn sie sich ihrer konservativen, liberalen und christlich-sozialen Wurzeln bewusst war. Die Vielfältigkeit der CDU, getragen durch Meinungsbildungsprozesse in unseren Vereinigungen und Verbänden, ist unser Markenkern.

Wie stark sind die Tendenzen in der CDU, die AfD als möglichen Koalitionspartner zu erwägen?
Die Beschlusslage ist klar. Die CDU wird keine Koalition mit der AfD oder den Linken eingehen.

Die CDU im Harz warnt in einem Papier vor einem „Fiasko“ bei der Landtagswahl 2021, sie spricht sich für neue Regierungsbündnisse aus und fordert wie die AfD ein Verbot der Vollverschleierung muslimischer Frauen...
Das ist kein Rumoren in der Partei, es werden politische Positionen deutlich gemacht. Das halte ich für zulässig. Die CDU darf ruhig ein Stück weit konservativer werden und nicht Anderen das Feld überlassen. Aber: mit der CDU Sachsen-Anhalt und mir wird es keine Koalition mit der AfD geben. Die entscheidenden Themen besetzt die CDU.

Sie können sich also unter keinen Umständen vorstellen, in einer Koalition mit der AfD, oder von ihr in einer Minderheitsregierung geduldet, Innenminister oder Ministerpräsident zu sein?
Nein.

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