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Um das Dragonerareal hinter dem Finanzamt Kreuzberg (zwischen Mehringdamm und Obentrautstraße) wird seit Monaten gerungen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Streit ums Dragonerareal in Berlin-Kreuzberg: Heute ist Tag der Entscheidung im Bundesrat

650 günstige Wohnungen, auch für Flüchtlinge, könnte Berlin auf dem Dragonerareal bauen. Der Bund will aber an den meistbietenden Investor verkaufen. Die Länder könnten das verhindern.

Es ist eine der letzten großen Bauflächen im Stadtzentrum, mitten im Kreuzberger Kiez. Es wäre der ideale Standort für die Errichtung günstiger Wohnungen für Haushalte mit geringen Einkünften – und für Neu-Berliner aus Kriegsgebieten, die aus dem Zelt in eigene vier Wände umziehen. 650 Wohnungen könnten auf dem 47.000 Quadratmeter großen Dragonerareal entstehen, landeseigene Gesellschaften stehen bereit diese zu bauen. Doch der Bund zieht nicht mit, will den maximalen Kaufpreis für das Bauland herausschlagen und hat dazu einen Deal mit einem privaten Investor geschlossen.

An diesem Donnerstag ist der Tag der Entscheidung in diesem Immobilien-Krimi: Der Finanzausschuss im Bundesrat, der zustimmen muss, berät über den umstrittenen Deal des Bundes mit der Firma „Dragonerhöfe“. Bereits zwei Mal stand das Geschäft, das 34 Millionen Euro in die Kassen des Bundes spülen würde, auf der Tagesordnung. Und zwei Mal vertagten die Finanzminister der Länder diese Entscheidung.

Länder können nicht mit Investoren mithalten

Eine Mehrheit von ihnen wehrte sich gegen diesen Deal, der beispielhaft für die Politik des Bundes steht, staatlichen Grundbesitz immer nur zum Höchstpreis zu verkaufen. Denn bei solchen Bieterwettkämpfen können die Länder nicht mithalten, weil Spekulanten wegen des Immobilienbooms gewaltige Summen bezahlen.

Dabei brauchen die Länder dringend Flächen zum Bau von Wohnhäusern. 500.000 Wohnungen allein für Flüchtlinge müssen bundesweit gebaut werden, so jüngste Expertenschätzungen. Hoffnungen, dass der Bund der Not von Flüchtlingen den Vorrang vor dem Baren gibt, schürten zuletzt die Vereinbarungen der Koalitionsspitzen nach dem Treffen zur Flüchtlingskrise am Sonntag: Unter Punkt 7 hielten die Politiker fest, dass „der Bund den Kommunen Immobilien und Liegenschaften schnell und verbilligt für den sozialen Wohnungsbau bereitstellt“.

So hofft man, die Wohnungsnot in den Griff zu kriegen, die sich durch die hohe Zahl der Flüchtlinge schlagartig verschärft. Einen „Konkurrenzkampf der sozialen Problemgruppen“ um den knappen günstigen Wohnraum sagen soziale Träger wie die Awo Berlin voraus.

Bauland für "Zuwachs an Bevölkerung von verschiedenen Seiten"

Dennoch ist es ungewiss, ob der umstrittene Deal endgültig gestoppt werden kann. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat im Tauziehen um das Bauland aber noch nicht die Waffen gestreckt: „Der Bund hat die Verhandlungen abgebrochen, es ist gut möglich, dass strittig abgestimmt wird, aber wir haben gute Argumente“, sagte er auf Anfrage. Das Dragoner-Areal sei eine große innerstädtische Fläche, die bestens geeignet sei für den Bau günstiger Wohnungen: „Wir brauchen das Bauland, weil wir einen Zuwachs an Bevölkerung von verschiedenen Seiten haben“, so der Finanzsenator weiter.

Und der Bund habe dem Investor keine Auflagen für den Bau bezahlbaren Wohnraums beim geplanten Verkauf gemacht. Kollatz-Ahnen erinnerte an ähnlich hohe Flüchtlingszahlen in Deutschland Anfang der 1990er Jahre. Damals habe der Bund den Städten Bauland „mit Rabatten von 80 Prozent“ bereit gestellt.

Dass gerade Kreuzberg dringend den Neubau von Sozialwohnungen für Flüchtlinge aber auch Haushalte mit geringen Einkünften braucht, zeigt das Tempo, mit dem der Stadtteil zum Luxusresort geworden ist. Mit mehr als 4300 Euro je Quadratmeter liegen die mittleren Preise von Eigentumswohnungen auf dem Niveau von Prenzlauer Berg oder Zehlendorf. Der Kiez zählt zu den begehrtesten Lagen unter Neuberlinern, und weil die fast jeden Preis bezahlen, bauen Entwickler fast ausschließlich Luxuswohnungen.

„Wir brauchen dringend kommunalen und selbst verwalteten Wohnungsbau“, sagt Bernhard Hummel vom Initiativen-Bündnis „Stadt von unten“. Nur so sei es möglich, dauerhaft Wohnraum zu „bezahlbaren Mieten“ zu schaffen. Vertreter der Firma „Dragonerhöfe“ erklärten zwar, „Wohnraum mit sozialverträglichen Mieten“ schaffen zu wollen. Experten rätseln aber, wie dies mit der Last des hohen Kaufpreises für das Bauland in größerem Umfang möglich sein soll.

Um Einfluss auf die Bauplanung nehmen zu können, will der Senat das Areal in ein Sanierungsgebiet umwandeln.

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