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Berlin: Im Nirwana versumpfen

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Politiker haben immer Großes vor. Wortgewaltig streiten sie für ihre Ziele. Nein, Zielstellungen oder Zielsetzungen müssen es sein, die den Veränderungsbedarfen entsprechen. Das hört sich nach mehr an, nicht wahr. Manche Ideen werden natürlich zunächst angedacht.

„Ist eine Kooperation der (geplanten) medizinischen Hochschule mit der Charité angedacht?“, fragte der FDPAbgeordnete Erik Schmidt den Senat. Sein CDU-Kollege Kurt Wansner verwies zu einem anderen Thema auf „die letzte angedachte Unterschriftenaktion“. Man denkt nicht mehr an etwas. Es wird angedacht. Da fallen einem bloß noch angebrütete Eier ein.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) war neulich in China, und zwar „mit der Zielsetzung“, chinesische Investoren für den Berliner Markt zu interessieren, wie er in der Fragestunde des Parlaments sagte. PDS-Freund Marian Krüger hatte nach der „Zielstellung“ der Reise gefragt, nicht etwa schlicht nach dem Zweck.

Was es mit den Beratungen der Bundesstaatskommission zur Neuordnung der Aufgaben von Bund und Ländern auf sich hat, erläuterte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer vor dem Parlament so: „Es geht vor allem um die Entflechtung von Entscheidungsprozessen bei angemessener Finanzausstattung.“ Gewiss meinte er nicht die Finanzausstattung der Entscheidungsprozesse, sondern der Länder. Redet noch jemand von Entscheidungen? Nein, man quält sich mit zielführenden Entscheidungsprozessen.

Donnerwetter, der Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann (Grüne) drückte sich direkt gewählt aus, und so bescheiden: „Die Kommission begibt sich auf die Zielgerade ihrer Arbeit.“ Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit war schon viel weiter: „Heute ist angesagt, im Dezember die notwendigen Reformen durchzuführen.“ Na, na! Erst die Einigung auf die Förderalismus-Reform, dann die Verfassungsänderungen, dann die Tat. Richtig: „Diese Chance muss beflügelt werden. Und Berlin kann der Motor sein“, so Wowereit. Man sieht förmlich ein Flugzeug voller Chancen fliegen, für das Berlin den Motor spendiert.

Der Abgeordnete Benjamin Hoff (PDS) aber bekannte: „Lange Zeit schien es, als ob die derzeitige Föderalismus-Kommission im gleichen Nirwana versumpfen würde wie die meisten Reformen vor ihr... Zuerst wurden radikale Veränderungsbedarfe geäußert...“ Was für ein Sprachbild! Also, mein Bedarf ist gedeckt. Der Bedarf, der Verkehr, der Inhalt vertragen nun mal keinen Plural. Man muss sich schon zu Umschreibungen bequemen. Aber wer oder was kann überhaupt im Nirwana versumpfen? Hoff wollte sicher den Buddhisten nicht zu nahe treten. Achten wir ihren Glauben, ins Nirwana einzugehen. Wir aber sollten aufpassen, dass wir nicht im Sprachsumpf versinken.

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