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Berlin: Im Reich der Mitte

Nicht schön billig, sondern schön gediegen kleidet der neue Edel-H&M seine Kunden ein. Dänische Designer dachten sich das aus

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Erst Berlin, dann München und heute Hamburg: Rebekka Bay und Michael Kristensen sind gerade auf Deutschlandtournee. Die beiden Dänen können weder singen noch tanzen, aber sie sagen Sachen wie: „Wir hoffen, dass die Deutschen unsere Sachen lieben werden.“ Und dann eine Menge davon kaufen, am besten wöchentlich, sollte man hinzufügen. Denn die beiden sind die Designer von COS. Das bedeutet „Collection of Styl“ und ist das neueste Konzept vom Massenmarktdiscounter Hennes & Mauritz. Heute eröffnen alle fünf deutschen Geschäfte gleichzeitig um zwölf Uhr fürs Publikum.

Während bei H&M gerade Madonna mit ihrer Kollektion ein kleines bisschen Hysterie verursacht hat, kann man bei COS am Kurfürstendamm 217 ganz ruhig bleiben. Das Logo ist nicht mehr als ein Schatten, die Farben sind gedeckt, der Leinenjacke sieht man den Flachs und dem glänzenden Blüschen die Seide an. Hier gibt es nichts, was nicht zum Schwiegermutterbesuch für beide Geschlechter taugen würde.

Also schön ausgewogen, man könnte auch sagen: Etwas langweilig sehen die Entwürfe aus. Wären da nicht die Designer. Die können genau erklären, wie das alles gemeint ist: „Wir fühlen, dass im Moment etwas passiert. Eine Besinnung auf einen neuen Markt der Mitte. Die Leute achten mehr darauf, was sie kaufen und wollen zeitlose Mode, die etwas länger in den Kleiderschränken hängt als eine Saison“, sagt Rebekka Bay. Dass das Ergebnis sehr skandinavisch-pragmatisch aussieht, wollen die Designer gar nicht verleugnen: „Wir sind Dänen, die für eine schwedische Firma arbeiten. Es ist schwierig, das nicht auszudrücken.“

Nun will also ausgerechnet Hennes & Mauritz erreichen, dass die totgesagte Mitte wiederaufersteht. Dahinter steckt vielleicht auch ein wenig die Angst, sich vom Konkurrenten, der spanischen Handelskette Zara, das Wasser abgraben zu lassen. Vielleicht sollen aber einfach die erwachsen gewordenen H&M-Kunden, die das Schlangestehen vor den Kassen zusammen mit kichernden Teenagern leid sind, an die vernünftigere und erwachsene Schwester COS weitergereicht werden, die ihre Sachen in angenehmer Atmosphäre für das Doppelte verkauft.

Und das ist dann der Markt der Mitte. Der ja eigentlich verschwunden ist, auch aus Berlins Einkaufsstraßen. Denn wenn es eine Gewissheit in der Mode gab, war es diese: „Verkauf Mode entweder billig oder teuer, aber nicht dazwischen.“ Oder wie Karl Lagerfeld formulierte: „In der Mode funktioniert nur Trash oder Luxus, mit der Mitte hast du nur Probleme.“

Dass sie die Mitte gekillt haben, um sie jetzt ins Leben zurückzuholen, geben Rebekka Bay und Michael Kristensen freimütig zu. Aber jetzt hätten sie eben gespürt, dass es an der Zeit sei, genau diese Mitte wieder zu bedienen.

Cindy aus Marzahn in pinkfarbenen Leopardenleggins gehört definitiv nicht zur gewünschten Zielgruppe. Die nicht gerade zart gebaute Komikerin versuchte, sich am Mittwoch ohne Einladung, dafür mit einem großen Pappschild mit der Aufschrift „Ich bin ein Star, lasst mich hier rein!“ Einlass in den überfüllten Laden am Kurfürstendamm zu verschaffen, als dort Premiere gefeiert wurde. Aber da der schon von genügend shoppenden Promis wie Moderatorin Nova Meierhenrich, Model Franziska Knuppe und Schauspielerin Barbara Rudnik okkupiert wurde, musste Cindy zusammen mit einem Motz-Verkäufer, der Autogramme für seine Kinder sammelte, draußen die Passanten unterhalten.

Ein bisschen Erklärungsbedarf schien es schon noch zu geben, mehrere Kamerateams fragten verzweifelt potenzielle Kundinnen vor den Umkleidekabinen: „Wo ist den hier der Trend?“ Der spielte an diesem Abend nicht die Hauptrolle. Die übernahm der moderne Klassiker: Die weiße Bluse, der beigefarbene Trenchcoat und das kleine Schwarze. Dabei soll es bleiben. Nur eines soll sich, wie bei H&M, fast täglich ändern: das Warenangebot.

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