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Die Angst vor Verdrängung ist nicht nur am Kottbusser Tor ein Thema. Sozialverbände fürchten auch, dass gerade Bezieher von Hartz IV Wohnungen nicht mehr bezahlen können.

© dapd

Grenzwerte für Hartz-IV-Mieten: Jobcenter können höhere Mietkosten übernehmen

Der Berliner Senat hat auf die Steigerungen im aktuellen Mietspiegel reagiert und die Grenzwerte erhöht. Sozialverbände und der Mieterverein halten die neuen Regelungen für unzureichend.

Die zwölf Berliner Jobcenter können künftig höhere Mietkosten übernehmen als bisher. Der Senat beschloss am Dienstag, dass die Obergrenzen für eine Kostenübernahme der Entwicklung des neuen Berliner Mietspiegels und des aktuellen bundesweiten Heizkostenspiegels angepasst werden. Künftig dürfen demnach alleinstehende Hartz-IV-Empfänger in Wohnungen wohnen, deren Höchstmiete zwischen 405 und 425 Euro liegt; Fünf-Personen-Haushalt können zwischen 773 und 811 Euro für die Bruttowarmmiete aufwenden. Die Werte sind abhängig von der Art der Heizung sowie der Größe des Mietshauses. Als am günstigsten gilt, wenn das Haus mit Erdgas geheizt wird, gefolgt von Fernwärme und Heizöl. Die neuen Richtwerte sollen vom 1. August an gelten.

Sozialsenator Mario Czaja (CDU), dessen Verwaltung für die so genannte Wohnaufwendungenverordnung verantwortlich ist, wies darauf hin, dass die Mietwerte mit jedem neuen Miet- und Heizkostenspiegel angepasst werden. Sozialverbände und der Mieterverein kritisieren die Verordnung seit ihrem Inkrafttreten im Mai 2012 als unzureichend und nicht den Gegebenheiten des Mietmarktes entsprechend. Czaja aber hält sie für ein geeignetes Instrumentarium, um die Angemessenheit der Mietkosten zu bestimmen. „Sie hat eine bemerkenswerte Verbesserung gebracht und mehr Rechtsfrieden“, sagt Czaja. Seinen Angaben zufolge hat sich die Zahl der vom Jobcenter angeordneten Zwangsumzüge deutlich verringert. In den ersten zwölf Monaten seit Mai 2012 mussten 350 Haushalte umziehen, im Vorjahreszeitraum waren es 1229 Bedarfsgemeinschaften. Die vorherige Regelung war vom Bundessozialgericht als rechtswidrig gekippt worden.

Allerdings werden die obersten Sozialrichter auch die jetzige Regelung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Das Landessozialgericht hatte sie im April ebenfalls für rechtswidrig erklärt. Der Potsdamer Kammer erschienen vor allem die Berechnungen der Heizkosten nicht für schlüssig. Deswegen könne es auch keine rechtmäßigen Grenzwerte der Bruttowarmmiete geben, die sich aus der Kaltmiete und den Heizkosten zusammensetzt. „Wir wollen ein höchstrichterliche Klärung“, sagt Czaja. Deswegen sei der Senat gegen das Urteil in Revision gegangen. Er sei gerade von dem Konzept überzeugt, die Richtwerte nach der Bruttowarmmiete auszurichten, und nicht getrennt nach Miete und Heizkosten. So gebe es bedeutend weniger Bürokratie. Laut Czaja lagen zwar bei rund 67 000 Haushalten in den vergangenen zwölf Monaten die Mietkosten über den Grenzwerten; aber in rund 33 000 Fällen wurden diese dennoch übernommen, da Härtefallregelungen griffen.

Der Berliner Mieterverein und das Diakonische Werk bleiben bei ihrer Kritik. „Statt das Problem anzugehen, bietet der Sozialsenator den Arbeitslosen nur Kosmetik“, kritisiert Mietervereinsgeschäftsführer Reiner Wild: „Die Sparpolitik des Senats wird weiterhin auf dem Rücken der wirtschaftlich Schwächsten ausgetragen.“ Diakonie-Direktorin Susanne Kahl-Passoth bemängelte, dass bei der Berechnung lediglich Mieten in einfachen Wohnlagen berücksichtigt worden seien, von denen es ohnehin nicht genügend in der Stadt gebe. Außerdem bilde der Mietspiegel lediglich die Bestandsmieten ab, ohne auf die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt und die gestiegenen Neuvertragsmieten zu reagieren. Demgegenüber begrüßte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) die Anpassung der Richtwerte als einen notwendigen Schritt. Als besonders positiv hob der BBU die Erhöhung für die Ein-Personen-Haushalte hervor, die das Gros der Hartz-IV-Bezieher ausmachten.

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