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Berlin: Jugendsenator lädt Stadträte zum Anti-Alkohol-Gipfel

Bisher werden Wirte bei Verstößen gegen Jugendschutz kaum belangt Bezirken fehlt das Kontrollpersonal. Außerdem drohen nur geringe Strafen

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Der zunehmende Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen hat in den vergangenen Tagen die Öffentlichkeit aufgeschreckt – nun reagieren die Parteien und Behörden mit ersten Initiativen: So will die SPD im Abgeordnetenhaus „schnellstens“ ein Verbot des sogenannten Flatrate-Trinkens beantragen, bei dem Diskobesucher für ein bestimmtes Eintrittsgeld so viel trinken können, wie sie möchten. Das kündigte die SPD-Abgeordnete Sandra Scheeres am Montag im parlamentarischen Gesundheitsausschuss an. Zudem will Bildungs- und Jugendsenator Jürgen Zöllner (SPD) bei einem Treffen mit allen Jugendstadträten der Bezirke am kommenden Freitag „darüber nachdenken“, wie junge Leute vom exzessiven Alkoholkonsum abgehalten werden können.

Dabei soll auch über die bislang äußerst geringen Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzgesetzes gesprochen werden. Laut Gesetz dürfen Bier, Sekt und Wein erst an Jugendliche ab 16 Jahren ausgeschenkt werden, hochprozentigere Spirituosen erst an Volljährige. Wie berichtet, sind die Bezirke und die Polizei für die Überwachung zuständig, aber beide führen höchst selten Stichproben durch, weil dafür das Personal fehlt. Nach einer Umfrage des Tagesspiegels in mehreren Bezirken gab es bisher nur eine Handvoll Fälle, bei denen Gastronomen wegen eines Verstoßes belangt wurden.

Außerdem sind die angedrohten Ordnungsstrafen ohnehin „recht moderat“, wie Sachbearbeiter in den Bezirken klagen. Wer Alkohol an ein Kind unter 14 Jahren ausschenkt, muss nach dem gültigen Bußgeldkatalog 400 Euro zahlen, verkauft er Spirituosen an einen Jugendlichen unter 18 sind es 300 Euro. Serviert er den Alkohol verbotenerweise gleich in mehreren Fällen, so wird die Summe des Bussgeldes pro Kind und Jugendlicher halbiert. Und bevor die Konzession entzogen werde, müssten schon „eklatant viele Verstöße“ vorliegen, heißt es in den Ordnungsämtern.

Im Vergleich zu den Kontrollen und Strafen gegen Drogenmissbrauch wird den Wirten hier aus Sicht der Drogenbeauftragten des Senates, Christine Köhler-Azara, „lascher“ auf die Finger geschaut, obwohl man Alkohol als Gefährdung ebenso ernst nehmen müsse. „Drogen sind geächtet, Alkohol ist salonfähig“, sagt Köhler-Azara. Das sei der Hintergrund des Missverhältnisses.

Ebenso wie die Koalitionsfraktionen SPD und PDS ruft auch sie nach verschärften Kontrollen, zumal vor allem Berlins Diskotheken alkoholische Getränke immer billiger verkaufen und beispielsweise mit den umstrittenen Flatrates locken. Gegen solche Flatrate-Partys spricht sich Stefan Kutz aus, Betreiber der Diskothek Q-Dorf am Ku’damm. „Das ist das allerletzte Marketingmittel.“ Zu solchen Partys kämen nur Gäste, die sich hemmungslos betrinken wollen. Als Grund nennt auch er den enormen Konkurrenzdruck. Den günstigen Preis, zu dem manche Diskos die Getränke anbieten, erklärt sich Kutz durch den Ausschank minderwertiger Ware: „Was in solchen Drinks drin ist, will man lieber nicht wissen.“

Ein Verbot der „Flatrate“- Angebote ist aus Sicht des Professors für öffentliches Recht an der Freien Universität Berlin (FU), Markus Heintzen, juristisch durchsetzbar. Der Hebel sei das Gaststättenrecht. Im Zusammenhang mit der Betriebserlaubnis könnten Auflagen zum Schutz der Gäste für die Gesundheit jederzeit erteilt werden.

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