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Vor allem in der Rigaer Straße in Friedrichshain sollen die "Chaostage" stattfinden.

© Paul Zinken/dpa

Update

Kampf um Rigaer Straße 94: Linksautonome kündigen "Chaostage" in Berlin an

Droht Berlin in den kommenden Tagen neue Gewalt von Autonomen? Die Polizei nimmt einen Aufruf sehr ernst, auch wenn erste Aktionen ruhig blieben. Es geht um: die Rigaer Straße.

Die linksautonome Szene in Berlin hat für die Zeit von Donnerstag bis Sonntag sogenannte „Diskussions- und Chaostage“ mit Aktionen und unangemeldeten Demonstrationen angekündigt. Die Polizei nimmt den Aufruf überaus ernst, wie ein Sprecher dem Tagesspiegel sagte. Für die kommenden Tage werde dies bei der Einsatzplanung und bei der Zahl der Beamten berücksichtigt.

Im Fokus: Die Rigaer Straße, wo es immer wieder zu Randalen kommt, Autos angezündet werden und Linksautonome Polizisten angreifen. Konkret geht es um eine Räumungsklage gegen eine Kneipe in der Rigaer Straße 94, die am Montag vor dem Landgericht verhandelt wird.

Erste Aktionen fanden am Donnerstag statt. Rund um die Rigaer Straße und die Liebigstraße wurde ein „Umsonstflohmarkt“ veranstaltet – um „sich die Straße zu nehmen“. Gedacht ist das offenbar als Provokation: Denn 2015 hat es den Angaben zufolge eine solche Aktion schon einmal gegeben. Im Aufruf der Linksautonomen heißt es nun: „Die Bullen haben damals die ganzen Stände abgeräumt, um ihre Position klar zu machen. Allein für die Bilder von Bullen, die einen Flohmarkt zerdeppern hat es sich gelohnt.“

Die Polizei schritt beim "Umsonstflohmarkt" ein, weil keine Sondernutzungserlaubnis für Gehwege vorlag, und stellte mehrere Gegenstände sicher. In der Simon-Dach-Straße gab es eine Spontandemo von rund 50 Frauen gegen Sexismus. Wegen Farbsprayattacken wird wegen Sachbeschädigung ermittelt.

In der Nacht zu Donnerstag wurde zudem ein Polizeiwagen in der Rigaer Straße in Friedrichshain mit Steinen beworfen. Ob die Tat in Zusammenhang mit den Chaostagen steht, ist unklar.

"Stiftet Chaos"

In einem im Internet veröffentlichen Aufruf ist von „Riot und Aufstand“ die Rede und: „Einige praktische Veranstaltungen könnten auch die Theoriefeinde aus ihren Löchern holen.“ Für Samstagabend ist eine Demonstration in Neukölln am Herrfurthplatz ankündigt, die bei den Behörden nicht angemeldet wurde. „Wir werden nicht mit dem Staat, den wir ablehnen und zerstören wollen, verhandeln“, heißt es zur Begründung. Vielmehr werden Teilnehmer aufgefordert: „Stiftet Chaos um diese Uhrzeit.“

Die Bewohner der Rigaer 94 haben die Szene dazu aufgefordert, den „Tag X“ vorzubereiten und eine „heiße Phase der Verschwörung gegen den Staat“ ausgerufen. Mit den „Diskussions- und Chaostagen“ solle die „Rebellion einen Frühling“ erleben. In einem Video heißt es: „Come to Friedrichshain and fight the system.“

Sabotage von Stromkabeln durch mutmaßlich Linksextreme

Ob dies alles als Aufruf zu konkreter Gewalt zu werten sei, wollte der Polizeisprecher nicht ausdrücklich sagen. Intern ist jedoch von einer angespannten Lage die Rede. Vor dem Hintergrund einer Reihe von Anschlägen auf Bahnanlagen in den vergangenen Jahren und zuletzt auf sogenannte sensible Infrastruktur seien die Ankündigungen zu den Chaostagen ernst zu nehmen, hieß es. Im März hatten mutmaßlich linksextreme Täter Starkstromleitungen in Charlottenburg attackiert. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen „wegen der besonderen Bedeutung“ übernommen. Ermittelt wird wegen des Verdachts der „verfassungsfeindlichen Sabotage“. 

In einem Mobilisierungsvideo der linksautonomen Szene zu den Chaostagen wird nun ausdrücklich Bezug genommen auf gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei, die sich seit 1990 in Friedrichshain ereignet haben – bis hin zu den Attacken auf Beamte rund um die Rigaer Straße.

Hintergrund der Aktionstage sind die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Autonomenkneipe „Kadterschmiede“ in einem früher besetzten Haus in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain. Der Zivilstreit wird am Montag vor dem Landgericht fortgesetzt. Der Eigentümer verlangt schon seit längerem, dass der „Kadterschmiede“-Verein das Objekt räumt, da dieser die Räume seit 2013 ohne Mietvertrag nutzt.

Mithilfe der Polizei waren die Räume im Erdgeschoss bereits im Juni 2016 geräumt worden. Es kam zu heftigen, teils gewaltsamen Protesten und Angriffen auf die Polizei. Später entschied das Landgericht, dass die – auch politisch vom damaligen Innensenator Frank Henkel (CDU) gestützte - Räumung nicht rechtmäßig war. Die Betreiber der Kneipe durften zurück ins Haus.

Aktionen rund um Rigaer Straße

Spätere Räumungsklagen sind gescheitert, so etwa im Februar 2017, als ein Anwalt keine Prozessbefugnis der Eigentümer, vertreten von einer Gesellschaft in Großbritannien, vorweisen konnte. Im Juni 2017 musste das Streitverfahren unterbrochen werden: Der Vertreter des Eigentümers war gestorben. Zuletzt waren die Hausbewohner nach eigenen Angaben von der Hausverwaltung aufgefordert worden, die Türen zur Tordurchfahrt bis 18. April zu entfernen. Zugleich seien Zwangsmaßnahmen angekündigt worden.

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