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Kampf ums politische Überleben: Die Berliner Linke will Problem-Kieze erobern
Die Verdrängung von Mietern ist in Berlin längst Alltag. Die Linke will das ändern, indem sie unter anderem in Großsiedlungen geht. Die Partei befindet sich in einer existenziellen Krise.
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Nach den dramatischen Stimmverlusten für die Linke bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen kämpft auch der Berliner Landesverband ums Überleben. „Wir befinden uns in einer veritablen Krise und die Landtagswahlen haben diese Krise vertieft. Die Lage ist für uns kreuzgefährlich und wir können nicht einfach so weitermachen wir bisher“, erklärte Anne Helm, gemeinsam mit Tobias Schulze Vorsitzende der Berliner Linksfraktion, am Dienstag.
Der Ansatz der im Vergleich zu anderen Landesverbänden auch nach der Abspaltung des BSW stabilen Berliner Linke: konsequente Kiez-Politik. „Solidarität organisieren: Eine neue linke Politik im Kiez“ heißt ein Strategiepapier, das die Doppelspitzen von Partei und Fraktion am Dienstag vorstellten. Ziel ist, der Berliner Linke bis 2026 zu neuer Relevanz zu verhelfen und dabei auch das drohende Ausscheiden der Partei aus dem Bundestag im kommenden Jahr zu überstehen.
„Wir kriegen die Glaubwürdigkeit nur über die Arbeit im Kiez von Angesicht zu Angesicht“, erklärte Schulze bei der Vorstellung des Papiers. „Die Linke muss dort aktiv sein, wo wir gebaucht werden“, ergänzte er und bezog sich dabei insbesondere auf Stadtgebiete mit sozialen Problemlagen.
Wir konzentrieren uns auf Menschen mit geringen und mittleren Einkommen.
Maximilian Schirmer, Vorsitzender Linke Berlin
Das Märkische Viertel in Reinickendorf oder die Thermometersiedlung in Steglitz-Zehlendorf seien zwei der Großsiedlungen, in denen die Linke aktiv und sich den dort häufig mit Problemen kämpfenden Menschen andienen werde, erklärte Schulze. „Wir konzentrieren uns auf Menschen mit geringen und mittleren Einkommen. Menschen, die Angst haben müssen, in den kommenden Jahren nicht mehr über die Runden zu kommen“, ergänzte Maximilian Schirmer, zusammen mit Franziska Brychcy Landeschef der Partei.
Thematisch will sich die Linke in den kommenden beiden Jahren insbesondere auf die Wohnungs- und Mietenpolitik konzentrieren. „Die Verdrängung von Menschen aus der Stadt wird sich verschärft fortsetzen in den nächsten Jahren. Dagegen wollen wir kämpfen“, erklärte Schulze und kündigte die Unterstützung der Linke für einen möglichen zweiten Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne an.
Die Linke setzt auf Vernetzung vor Ort
Darüber hinaus fordert die Linke ein mit einer Milliarde Euro ausgestattetes kommunales Wohnungsbauprogramm sowie ein Sicher-Wohnen-Gesetz, um den Bestand an Wohnraum besser zu sichern und Kernpunkte einer sozial-ökologischen Bewirtschaftung für alle Vermieter gesetzlich vorzuschreiben.
Den Kiez-Charakter der eigenen Mietenpolitik will die Linke unter anderem über Mieterversammlungen und Sozialberatungen herstellen. Überall dort, wo Mieter etwa durch hohe Nebenkostennachzahlungen, Mietsteigerungen oder den Verkauf von Wohnungen unter Druck geraten, will die Linke vor Ort für Vernetzung sorgen. „Wir wollen den Menschen dabei helfen, selbst wirksam zu werden“, erklärte Schulze.
Die personellen Kapazitäten dafür scheint die Linke zu haben. Einer Sprecherin zufolge traten seit Ankündigung der BSW-Gründung im Oktober 2023 mehr als 1730 Menschen – davon viele Junge – in die Partei ein. 705 Mitglieder verließen die Linke. Stand Dienstag zählte die Berliner Linke 7589 Mitglieder. Sie ist damit der bundesweit mitgliederstärkste Landesverband.
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