Berlin-Wahl: Kampf ums Rote Rathaus
Die Berliner Spitzenkandidaten sind sich vor allem in ihren Forderungen an den Bund einig. Bezüglich des Wahlerfolgs ist Lucy Redler von der WASG eine Ausnahme: Sie will gar nicht an die Macht.
Berlin - Die anderen Kandidaten wollen dagegen am 17. September aber vor allem eins: ihre Plätze auf der Berliner Regierungsbank verteidigen oder neu erringen. Was Klaus Wowereit (SPD), Friedbert Pflüger (CDU), Harald Wolf (Linkspartei), Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) und Martin Lindner (FDP) mit der Macht dann anfangen wollen, unterscheidet sich jedoch.
Gravierende Unterschiede zeigen sich naturgemäß schon bei den Vorhaben, denen die Parteien oberste Priorität einräumen: Für den 51 Jahre alten Wowereit-Herausforderer Pflüger ist es das Wichtigste, "die Wahlmöglichkeit zwischen Ethik und Religion" in der Schule herzustellen. Lindner (42) verspricht unterdessen als erstes, "wo irgend möglich Steuer- und Abgabensenkungen" durchzusetzen sowie das Beitragsgesetz zum Straßenausbau abzuschaffen.
Amtsinhaber Wowereit (52) will bessere Bedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen organisieren und die Situation älterer Menschen verbessern. Einig sind sich Linkspartei und Grüne: Beide wollen sich der Ein-Euro-Jobs annehmen. Eichstädt-Bohlig (64) spricht von deren Umwandlung in "sinnvolle kommunale und soziale" Arbeit, der 50 Jahre alte Harald Wolf plant ein Pilotprojekt, das zeige, wie als Alternative längerfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im gemeinnützigen Sektor für Langzeitarbeitslose entstehen könnten.
Mehr Übereinstimmung als bei den dringendsten Vorhaben gibt es bei den Forderungen der Spitzenkandidaten an den Bund. Einen "Hauptstadt-Pakt, in dem der Bund, die Bundesländer und Berlin festlegen, wer innerhalb von 10 bis 15 Jahren, welche Aufgaben zu leisten hat", wünscht sich Pflüger. Wowereit hofft auf den Erfolg der Klage in Karlsruhe, auf finanzielle Hilfen des Bundes für das mit rund 60 Milliarden Euro verschuldete Berlin und erwartet Unterstützung im kulturellen Bereich und in Fragen der inneren Sicherheit. Fast genauso sieht das der Liberale Lindner.
Linkspartei/PDS: Alle Ministerien sollen nach Berlin
Die hauptstadtbedingten Kosten, wie die für Sicherheit, soll der Bund auch nach Wolfs Vorstellungen vollständig übernehmen. Zudem wünscht sich der Linkspartei-Politiker, dass alle Ministerien ganz nach Berlin umziehen. Für diesen Umzug und das faire Bezahlen von Hauptstadtleistungen plädiert auch Eichstädt-Bohlig. Lucy Redler (27) will indes nicht nur Geld für Berlin, sondern mit der "starken und progressiven Besteuerung" von Gewinnen und Vermögen finanzielle Mittel mobilisieren, die auch den Ländern und Kommunen zugute kommen.
Naturgemäß sind die Vorstellungen darüber, mit wem die jeweiligen Pläne am besten zu verwirklichen sind, unterschiedlich: Amtsinhaber Wowereit, der seit fast fünf Jahren einem rot-roten Bündnis vorsteht, wünscht sich eine "Zweierkonstellation" - gerne weiter mit der Linkspartei - oder aber auch mit den Grünen. Der Regierungschef lehnt nur eine Zusammenarbeit mit der CDU ab. Deren Spitzenkandidat Pflüger hingegen will Rot-Rot ablösen und kann sich dafür alle möglichen Partner vorstellen - nur mit der Linkspartei ist das für ihn ausgeschlossen.
Wolf wiederum will mit der Partei koalieren, "mit der wir am meisten linke Politik durchsetzen können" - ohne die SPD ausdrücklich zu nennen. Wie Pflüger wünscht auch die Grüne Eichstädt-Bohlig, dem Bündnis von SPD und Linkspartei den Garaus zu machen. Dann würden die Grünen den Part des Juniorpartners der Sozialdemokraten gern selbst übernehmen, wie Eichstädt-Bohlig sagt. Weitere Optionen nennt sie nicht. Alle Zweier- und Dreierbündnisse sind für den Liberalen Lindner denkbar. Nur eine Koalition mit der Linkspartei lehnt er ab. Redler hingegen schließt wegen der "Politik des Sozialabbaus" aller anderen Parteien eine Regierungsbeteiligung der WASG kategorisch aus.
Jüngsten Umfragen zufolge haben die Sozialdemokraten in Berlin die besten Chancen auf den Wahlsieg. Sie kommen derzeit auf rund 32 Prozent, klar vor der Union, die es nur auf etwa 21 Prozent bringt. Die Linkspartei und die Grünen erreichen jeweils rund 16 Prozent, für die Liberalen votieren rund acht Prozent. Die WASG scheitert den Umfragen zufolge an der Fünf-Prozent-Hürde. Mit diesem Ergebnis könnte Rot-Rot weitermachen, aber auch Rot-Grün wäre dann ein Modell fürs Berliner Rathaus. (Von Claudia Pietsch, ddp)