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Berlin: Kassenkampf im Klassenzimmer

Der rot-rote Senat will, dass Schulbücher in Zukunft nicht mehr kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Soll die Lernmittelfreiheit an Berliner Schulen beibehalten werden? Ein Pro und Contra

Berlins Eltern sollen künftig alle Schulbücher selbst kaufen. So hat es der Senat entschieden, und das Abgeordnetenhaus wird im April darüber abstimmen. Viel Zeit also zum Diskutieren – und Protestieren. Und Proteste zeichnen sich schon jetzt ab, denn viele Eltern wollen diese Zusatzausgaben – 40 bis 200 Euro pro Jahr je nach Klassenstufe – nicht hinnehmen, sondern das 50 Jahre alte Privileg der „Lernmittelfreiheit“ verteidigen.

Immer mal wieder hatten Finanzsenatoren versucht, dieses Privileg zu kassieren, das den Landeshaushalt mit rund 22 Millionen Euro pro Jahr belastet. Und immer wieder war es den Schulpolitikern gelungen, das Ansinnen zurückzuweisen. Angesichts der Finanzmisere gaben die Schulpolitiker von SPD und PDS jetzt nach. Ausnahmsweise bekommen sie dafür sogar Unterstützung von der FDP und von Teilen der CDU. Nur die Grünen geben etwas Contra. Aber selbst sie kritisieren, dass das jetzige System daran krankt, dass die genannten 22 Millionen Euro mit der Gießkanne verteilt werden und längst nicht ausreichen, um allen Schülern aktuelle Schulbücher zu beschaffen.

Auch die Elternverbände sehen das Problem der veralteten Schulbücher. Dennoch würden sie lieber an der jetzigen Mangelverwaltung festhalten. Denn sie fürchten, dass die Ausgaben ins Unendliche steigen, wenn Jahr für Jahr neue Schulbücher angeschafft werden müssen: Wenn die Lehrer plötzlich frei auswählen können aus dem reichen Angebot der Verlage und den Eltern dann entsprechende Bestelllisten mitgeben. In Treptow-Köpenick haben Eltern sogar schon Erkundigungen eingezogen, welche Grundschule wohl die preiswerteste sein könnte bei den künftigen Bücherbestellungen.

Der Landesschulbeirat, der für Eltern, Lehrer und Schüler spricht, lässt sich auch nicht damit beruhigen, dass der Senat einige Millionen bereitstellen will, um Sozialhilfe- und Wohngeldempfängern Gutscheine für die Schulbücher zu finanzieren. Zwar hat der Beirat noch kein abschließendes Votum gefasst, schlägt aber schon jetzt vor, den Kreis der Zuschussberechtigten größer zu fassen. Zudem überlegt er, ob nicht ein Höchstbetrag für Bücheranschaffungen festgeschrieben werden sollte, damit die Familien nicht in Bedrängnis geraten, wenn – etwa in der siebten Klasse – unzählige Fachbücher und dazu noch der teure Weltatlas gekauft werden müssen. Der Beirat hat für seine nächste Sitzung Mitte Februar Vertreter der Koalitionsfraktionen eingeladen, um einen Gedankenaustausch zu ermöglichen. Dann wird er dem Bildungssenator Empfehlungen geben.

Aber braucht man im Internetzeitalter überhaupt noch Schulbücher? „Ja“, sagt Brigitte Wilhelm vom Landeslehrerbeirat. Zwar lasse sich vieles aus dem Computer lernen, auch Kopien helfen sparen. Aber in Fächern wie den Fremdsprachen, in Geschichte und Erdkunde seien Bücher unverzichtbar. Brigitte Wilhelm weiß von tollen neuen Schulbüchern mit vielen Internethinweisen. Aber die sind längst nicht in allen Schulen vorhanden: Da stehen oft noch Titel aus den frühen Neunzigern.

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