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Berlin: Keine Gnade bei falschem Alarm

Die Forderung nach Schadenersatz bei Bomben-Verdacht ist schwer durchzusetzen. Doch die Bahn beharrt darauf

Die Deutsche Bahn wird große Schwierigkeiten haben, ihre Regressforderungen gegen schusselige Reisende durchzusetzen. Es fehlt bislang an Präzedenzfällen. Die Polizei jedenfalls darf vergesslichen Reisenden keine Rechnung für einen Einsatz schicken, wenn ein stehen gelassen Koffer einen Bombenalarm auslöst. „Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage“, sagte der Justiziar der Berliner Polizei, Kriminaldirektor Oliver Tölle, dem Tagesspiegel. Die Bahn aber hält an ihrer umstrittenen Idee fest. „Wir werden von Fall zu Fall prüfen, ob wir Regressforderungen stellen“, sagte Bahnsprecher Burkhard Ahlert. „Wir wollen die Kosten, die uns entstehen, gedeckt bekommen.“

Die Deutsche Bahn hatte am Freitag – nach dem vierten Bombenalarm am Bahnhof Zoo innerhalb von 14 Tagen – im Tagesspiegel angekündigt, dass künftig vergessliche Reisende eine Rechnung bekommen. Wie berichtet, hatte ein Fahrgast eine Tasche in einem Stehcafé in der Haupthalle vergessen und war in einen ICE gestiegen. Nachdem eine Käuferin Verdacht geschöpft hatte, rollte die Entschärfungsroutine der Polizei-Spezialisten an. Nur weil die Tasche verhältnismäßig klein war, wurde auf eine Unterbrechung des Zugverkehrs verzichtet und nur die Haupthalle des Bahnhofs und der Vorplatz abgeriegelt – für zweieinhalb Stunden. Auch in diesem Fall war der Inhalt des Gepäckstückes völlig harmlos.

Müssen jedoch auch die Gleise für mehrere Stunden gesperrt werden, sind die Kosten für die Deutsche Bahn immens. Inoffiziell räumt das Unternehmen dennoch ein, dass es sehr schwierig sein werde, Reisende für ihre Vergesslichkeit zu belangen.

In den kommenden Tagen soll die Hausordnung am Bahnhof Zoo mit roten Aufklebern ergänzt werden, auf denen die Regressforderungen angekündigt werden und dringend davor gewarnt wird, Gepäckstücke aus den Augen zu lassen. Zudem sollen in Zukunft die Fahrgäste auch mit Lautsprecherdurchsagen ermahnt werden, auf ihr Gepäck zu achten.

Das Gleiche machen die Berliner Flughäfen seit langem. Doch mit Schadensersatzforderungen stünde die Bahn alleine da. Die Flughafenholding will auch künftig keine Regressforderungen stellen. Denn das Hauptproblem sei, dass von den Koffern, die einen Bombenalarm auslösen, nur in den seltensten Fällen ein Eigentümer ermittelt wird. „Da meldet sich später keiner und gibt zu, das sei sein Koffer“, sagt Rosemarie Meichsner von der Flughafenholding. Mittlerweile sei den meisten Menschen bekannt, welche Maschinerie bei Behörden anläuft, wenn verdächtiges Gepäck entdeckt wird. Dass derzeit besonders viele Koffer vergessen werden, liege an der Reisesaison, „da sind die Leute nervöser und schusseliger“, sagte Meichsner. Auch Fluggesellschaften wollen sich nicht dem Plan der Bahn anschließen. Air Berlin zum Beispiel will keinen Regress fordern, wenn eine Maschine wegen eines gesperrten Flughafens nicht landen kann. „Das würde die Leute doch bis an ihr Lebensende verschulden, wenn man das einklagen würde“, sagte Air-Berlin-Sprecherin Angelika Schwaff.

Doch vor dem finanziellen Ruin könnte die Haftpflichtversicherung bewahren. „Unsere Kunden sind in solchen Fällen aus dem Schneider“, sagte Haftpflichtexperte Christian Bungartz von der Gothaer. „Die entstandenen Kosten müssen in keinem Fall vom Reisenden selber getragen werden“ sagte Bungartz. Entweder die Versicherung zahlt – oder sie wehrt die Ansprüche der Bahn ab. Und das ist wohl wahrscheinlicher, sagen Experten. Vor Gericht hätte man gute Chancen gegen eine derartige Forderung der Bahn, heißt es in der Versicherungsbranche. Zweifelhaft sei, auf welcher Rechtsgrundlage die Bahn ihre Ansprüche geltend machen wolle.

Auch der Justiziar der Berliner Polizei nennt die Rechtslage äußerst problematisch. Jetzt solle „intensiv geprüft“ werden, ob zumindest bei vorsätzlich in Bahnhöfen abgestellten Gepäckstücken die Einsatzkosten den Verursachern in Rechnung gestellt werden können.

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