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Gewaltprävention: Kiezläufer werden zum Renner

Einstige Straßenkids kümmern sich in Kreuzberg um Jugendliche – mit Erfolg.

Rund um die Naunyn- und die Admiralstraße in Kreuzberg scheint sich einiges geändert zu haben. Die pöbelnden und gewaltbereiten Jugendlichen, die den Nachbarn das Leben im Kiez bis vor kurzem noch schwer machten, hätten sich „gewandelt“. Das zumindest sagt Klaus Buchelt. Und der Rentner muss es wissen, denn er ist einer der Anwohner in dem Problembezirk. „Die reden ganz anders mit uns und auch die Prügeleien finden nicht mehr statt“, sagt Buchelt. Bewirkt habe diese „Wandlung“ das Projekt der Kiezläufer, die seit August durch die Straßen ziehen, um mit den Jugendlichen zu arbeiten.

Weil das Quartiersmanagement (QM), die Polizei und der Bezirk so zufrieden sind mit der Arbeit der sechs Kiezläufer, wurde das Projekt nun bis Oktober dieses Jahres verlängert. Mit 40 000 Euro wird der Trägerverein „Odak e.V.“ weiter finanziert. Und weil die Streetworker offenbar so gute Arbeit leisten, habe nun auch das benachbarte QM Wassertorplatz Interesse signalisiert und wolle in Kürze Kiezläufer hinaus in die Straßen schicken.

Doch was haben die Kiezläufer anders gemacht, als die Streetworker, die sich zuvor um die Jugendlichen im Kiez kümmerten? „Wir haben Vertrauen aufgebaut und sie erzählen lassen, was sie für Sorgen und Probleme haben“, sagt Ali S. Der 34-Jährige ist einer der sechs Kiezläufer, die seit August in ihren blauen Jacken durch die Straßen ziehen. Schnell habe sich herausgestellt, dass die Jugendlichen nicht wussten, was sie mit ihrer Freizeit anfangen sollten. Veranstaltungen, die in den etablierten Einrichtungen wie dem Jugendtreff „Naunynritze“ oder dem Stadthaus Böcklerpark angeboten werden, seien von ihnen gar nicht wahrgenommen worden. „Wir verstehen uns als Zulieferer. Wir wollen die Kids motivieren, die Freizeitangebote wahrzunehmen“, sagt Ali S. Außerdem hätten die Kiezläufer eigene Initiativen gestartet: Eine Theater AG beispielsweise oder einmal wöchentlich gemeinsames Fußballspielen, „wo die Jugendlichen sich auspowern können“. Auch begleiteten die Kiezläufer die jungen Menschen zum Arbeitsamt oder zum Jobcenter „oder wir helfen ihnen, einen Praktikumsplatz zu finden“, berichtet Ali S. Von den knapp 80 Jugendlichen, um die sich die Kiezläufer kümmern, hätten seitdem 15 einen Ausbildungsplatz bekommen.

Anfangs war das Projekt umstritten: Die Polizei hatte Befürchtungen, weil einige der Kiezläufer selbst eine kriminelle Vergangenheit haben. Doch das sei im Kontakt mit den Jugendlichen nun sogar ein Vorteil. „Sie wirken durch ihre Erfahrung authentisch und wissen, was los ist“, sagt Jörg Wittig vom zuständigen Polizeiabschnitt. Um die Streetworker nicht völlig unvorbereitet auf die Jugendlichen loszulassen, seien sie von der Polizei in Rechts- und Gesetzesfragen geschult worden. Eine Konkurrenz zu den bisherigen Jugendangeboten im Bezirk seien die Kiezläufer nicht, betont der Chef des Trägervereins, Orhan Akbiyk. „Wir sind eine Ergänzung des Ganzen“, sagt er. Tanja Buntrock

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