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Das Berliner Olympiastadion. Hier soll im Juni ein Demokratie-Festival stattfinden.

© Paul Zinken/picture alliance / dpa

Klimaprotest im Berliner Olympiastadion: Wie demokratisch ist das Festival der Demokratie?

Am 12. Juni soll ein Demokratie-Festival im Olympiastadion stattfinden. Doch es steht massiv in der Kritik, auch im Roten Rathaus ist man skeptisch.

Von Ronja Ringelstein

Stell dir vor, es ist Demokratie – und 60 000 Menschen gehen hin. Am 12. Juni findet im Berliner Olympiastadion ein „Festival der Demokratie“ statt. Menschen, die für 29,95 Euro ihr Ticket erworben haben, können dort auf ihren Smartphones Petitionen unterzeichnen, die danach in den Bundestag eingebracht werden sollen. Auf einer großen Bühne wird es Reden von Wissenschaftlern und Experten geben – zu Klimaschutz, Rassismus, globaler Ungerechtigkeit und anderen dringenden Problemen, die hier gelöst werden sollen. Dazu Musik und Unterhaltung. „So billig war die Weltrettung noch nie“, versprechen die Initiatoren im Youtube-Werbevideo der Veranstaltung. Und hatten Erfolg: Per Crowdfunding sammelten sie über zwei Millionen Euro ein, das Stadion ist reserviert.

Kritik am Ticketpreis

Doch seit Beginn der Aktion im November steht sie in massiver Kritik: Der Ticketpreis sei zu hoch, manche vermuten einen großen Marketingcoup der dahinterstehenden Organisatoren um Philip Siefer, Gründer der Kondom-Firma „Einhorn“. Einen Shitstorm löste Siefer zusätzlich aus, als er dem Journalisten Tilo Jung im Online-Interview-Format „Jung & Naiv“ sagte, es seien auch Nazis willkommen, wenn sie gegen Rassismus seien. Inzwischen ruderte er zurück: Ein Versuch, witzig zu sein, sei „verunglückt“.
Besonders ein Punkt ärgert viele: Hier komme eine elitäre Gruppe Gleichgesinnter zusammen – politikinteressiert, gebildet, relativ vermögend.

Skepsis im Roten Rathaus

Auch im Roten Rathaus sieht man genau dieses mit Skepsis: Sawsan Chebli, Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement findet, es brauche mehr Gespräche und Begegnungen von Menschen, die nicht von vornherein einer Meinung sind. „Bei Beteiligungsprozessen engagieren sich häufig Lobbygruppen, was auch gut ist. Aber man muss einen Schritt weitergehen, um die zu erreichen, die sich bisher nicht einbringen“, sagte Chebli dem Tagesspiegel. Gerade in diesen Zeiten sei eine aktive Zivilgesellschaft wichtiger denn je. Da könnten Symbole helfen. „Symbolik und Öffentlichkeit sind wichtig. Sie können Menschen motivieren aufzustehen“, sagt Chebli. Genau das sei Ziel des Events, heißt es auf der Website.

Experten sollen sich in Arbeitsgruppen beraten

Maurice Conrad ist 19 Jahre alt, kommt aus Mainz, wo er für die Piraten im Stadtrat sitzt, ist Klima-Aktivist bei "Fridays for Future" und Schauspielstudent. Am 12. Juni wird er nach Berlin reisen, sein Ticket hat er. Und sagt: „Ich bin Teil dieser bildungsbürgerlichen Blase“, er glaube aber, man erreiche nur dann etwas, wenn man sich einbringt und solch kritische Punkte anspricht. Dafür ist noch bis Juni Zeit. Die Veranstalter planen nach eigener Aussage, nun Gremien und Arbeitsgruppen aufzubauen, in denen sich Experten beraten, Themen und Petitionen ausarbeiten. Über eine Online-Plattform sollen sich alle Interessierten ebenso mit Ideen einbringen können. Hier will Maurice Conrad aktiv werden. „Wir müssen versuchen, uns auch gegenüber Menschen zu öffnen, die beispielsweise bildungsferner sind“, sagt er.

Klimastreik. Zu dieser Demonstration im September hatte "Fridays for Future" aufgerufen.
Klimastreik. Zu dieser Demonstration im September hatte "Fridays for Future" aufgerufen.

© Jens Büttner/dpa

Stefan Evers, CDU-Abgeordneter im Berliner Parlament hat Sympathien für das Event, da es demokratisches Engagement sei. „Manche sagen auch, Volksentscheide seien zu einfach, Parteistrukturen zu verkrustet. Kritikpunkte gibt es immer“, sagt Evers. Man solle dem Festival offen begegnen, findet er. „Wenn es jetzt heißt, die Gruppe sei elitär, kann man dem entgegenhalten, dass diese Diskussion um das Festival auf ähnlich elitäre Weise geführt wird.“ Es werde immer so sein, dass Themen am Ende von Interessierten getriggert würden und immer auch im Interesse anderer, die sich nicht einbringen. „Denen mit anderer Meinung ist es nicht genommen, das gleiche zu tun.“

Charlotte Roche ist Unterstützerin des Events

In dem Werbevideo der Veranstalter sagt Moderatorin Charlotte Roche, Unterstützerin des Events: „Wir unterschreiben eine Petition nach der anderen, Gesetze werden verändert, und die Welt guckt uns zu, wie wir Veränderung in Lichtgeschwindigkeit erreichen.“ Politologe Carsten Koschmieder vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität sieht den Beteiligungsprozess, bevor die Menschen im Stadion die Petition unterzeichnen als Problem: Man könne schließlich nicht mit 60.000 Menschen oder mehr diskutieren.

„Demokratie basiert auch auf Austausch von Informationen. Die Menschen müssen schon wissen, worüber sie abstimmen, und darüber miteinander sprechen“, sagt Koschmieder. Er sieht, wie Chebli, den Symbolcharakter gegeben. „So bekommt man Aufmerksamkeit für ein gewisses Thema, so entsteht öffentlicher Druck – das ist auch politisch. An sich ist eine Petition aber ein eher schwaches Instrument, um politisch etwas durchzusetzen.“

"Petitionen müssen mit Ernsthaftigkeit geschrieben werden"

Bei Petitionen mit mehr als 50.000 Unterzeichnern muss es eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages geben. Eine, die die Sache am Ende bearbeiten wird ist Martina Stamm-Fibich. Die SPD–Bundestagsabgeordnete hat nach eigener Aussage bereits hunderte Petitionen bearbeitet. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses. „Petitionen müssen mit einer gewissen Ernsthaftigkeit geschrieben und eingereicht werden“, sagt sie. Wie ernsthaft die Sache am Ende sei, werde man auch an der Zahl der verabschiedeten Petitionen sehen. Würden es mehr als zehn, stellt Stamm-Fibich in Frage, ob die Abstimmenden sich wirklich mit ihnen auseinandergesetzt haben.

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