Berlin: Knut außer Lebensgefahr
Jetzt interessiert sich auch England für den Eisbären. Tierrechtler dementiert, dass er dessen Tod forderte
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Auch in Großbritannien wird jetzt alles Knut. Knopfäugig und tapsig präsentierte sich der kleine Berliner Eisbär gestern auf dem Titelblatt der „Daily Mail“, mit einer Auflage von über zwei Millionen eine der meistgelesenen Zeitungen auf der Insel. „Das Eisbärenbaby, das Tierschützer einschläfern lassen wollen“, steht unschuldsweiß auf trauerschwarz unter dem Bild. Auf Seite 3 der Zeitung folgt dann die Geschichte von den Tierschutz-Lobbyisten, die dem kleinen Bären ans flauschige Fell wollen. Samt weiteren Bildern von Flaschenfütterung und ersten Gehversuchen. Allerdings scheint es sich bei der Forderung, Knut zu töten,um verfälscht wiedergegebene Zitate eines Tierschützers in deutschen Medien zu handeln.
Allan Hall, ein freier Journalist, der als Deutschland-Korrespondent für verschiedene britische Zeitungen arbeitet, hat den Artikel in der „Daily Mail“ geschrieben. „Es ging vor allem um die Bilder“, sagt Hall. „Mit Fotos von Knut kann man eigentlich jede Geschichte anbieten.“ Welche Geschichten interessieren seine britischen Leser sonst so aus Deutschland? „Hitler läuft immer“, sagt Hall. „Aber das ist ja in Deutschland genauso, zum Beispiel im ‚Spiegel’ und bei Guido Knopp.“ Briten interessiere an Deutschland aber auch, dass dort alles immer so gut funktioniere. „Zum Beispiel eine Geschichte über die Bahn, da klappt ja in Großbritannien gar nichts.“Gestern hat Allan Hall daheim aber erst einmal eine weitere Knut-Geschichte angeboten. Nachdem die „Bild“-Zeitung den Fahrplan zur Eisbären-Rettung verkündet hatte, obwohl das Tierchen ja nie wirklich in Lebensgefahr war, werden britische Leser morgen mit folgender Botschaft aus Deutschland beruhigt: „Knut is safe“, Knut ist außer Gefahr.
Dass sich selbst die britische Öffentlichkeit über die angebliche Forderung von Tierschützern erregt, Knut die Todesspritze zu verabreichen, geht auf Berichte deutscher Printmedien zurück. Zitiert wird da der Nürtinger Tierrechtler Frank Albrecht mit den Worten, „eigentlich müsste der Zoo das Bärenbaby töten“. Der 36-jährige Handwerker und leidenschaftliche Tierrechtler sagte der „FAZ“ und dem Tagesspiegel, dass er falsch wiedergegeben wurde. „Man hätte der Natur freien Lauf und die Bärenmutter entscheiden lassen sollen. Sobald aber ein Tier in menschliche Obhut genommen wurde, muss es weiterleben. Eine Tötung wäre dann ganz klar Mord.“ Albrecht sagt, er kenne keinen Tierschutzverband, der die Tötung gefordert habe. Er verweist auf die Argumentation des Zoos Leipzig, der die Tötung eines Lippenbären nach der Geburt mit späteren Verhaltensstörungen durch nicht artgerechte Handaufzucht begründete. „Folgt man dieser Argumentation, verstößt der Zoo Berlin gegen das Tierschutzgesetz.“ Seiner Anzeige gegen beide Zoos wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz habe die Staatsanwaltschaft aber nicht stattgegeben.
Albrecht hat Erfahrungen von Zoos ausgewertet, die schwere psychische Schäden bei Eisbären ausmachten, weil diese lebenslang unter der frühen Trennung vom „Muttertier“-Pfleger litten. Dass er bundesweit als der Mann bezeichnet wurde, der Knut töten lassen wolle, macht ihm nicht viel aus. Er findet es gut, dass die Diskussion in Gang gekommen sei. Und: „Ich habe ein dickes Fell.“
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