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Berlin: Knut für die Welt

Der erste Auftritt des kleinen Eisbären verzückt Zuschauer und internationale Medien. Jetzt soll er helfen, die Umwelt zu schützen

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Knut stiehlt allen die Show. Da treffen sich am Sonntag die 27 Staats- und Regierungschefs Europas in Berlin, um den 50. Geburtstag der Europäischen Union zu feiern, aber die Welt interessiert sich nur für einen kleinen Eisbären. Um 10.15 Uhr tapst Knut am Freitag auf die Bühne der Weltöffentlichkeit. Ein Raunen geht durch die Menge der mehreren Hundert Journalisten, Fotografen und Fernsehteams aus aller Welt, die sich um die Braunbärenanlage im Zoologischen Garten drängeln. Rund tausend Zuschauer sind erschienen. Einige Schüler, deren Wandertag kurzentschlossen zum Knuttag geworden ist, rufen: „3,2,1: Knuuut“. Doch der kleine Bär, fast vier Monate alt, zeigt sich öffentlichkeitsgewandt. Er hält die Nase in die Luft und schnuppert, schaut mit kleinen schwarzen Augen selbstsicher in die Runde.

Neben Knut treten Zoochef Bernhard Blaszkiewitz und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in den Ring. „Der Gabriel“, so kommentiert eine ältere Berlinerin ganz vorne am Geländer, „würde auch im Bärengehege keine schlechte Figur machen“. Der Minister redet über das Aussterben der Eisbären, deren Lebensraum durch den Klimawandel bedroht sei. Daher hat er Knut zum Maskottchen für die Artenschutzkonferenz im kommenden Jahr in Bonn erklärt. Der kleine Eisbär sei ja fast bekannter als ein Popstar. Gabriel streichelt Knut über den Kopf. Knut schüttelt sich.

Für den gemeinsamen Auftritt, der dem Minister an diesem Freitag zu internationaler Aufmerksamkeit verhilft, will Gabriel sich erkenntlich zeigen – Zoodirektor Blaszkiewitz regt ein Futter-Sponsoring an. Ob Gabriel selbst oder das Bundesumweltministerium dafür zahlen werden, war am Freitag nicht zu erfahren. Im Zoo hatte man vor dem Auftritt noch befürchtet, dass Knut den Minister beißen könnte. Doch die Aufmerksamkeit des Eisbären gehört allein seinem Pfleger Thomas Dörflein. Dieser hat schon die Nacht bei Knut verbracht und die Tür zum Käfig abgeschlossen, um voreiligen Fotografen den Weg zu versperren.

Mehr als eine Stunde zeigen sich Knut und Dörflein dem Publikum. Sie wirken wie Vater und Sohn. Dörflein stellt sich mit Gummistiefeln in den Wassergraben, Knut trinkt erst zaghaft und will dann sogar baden gehen. Der Pfleger zieht ihn am Nacken wieder heraus. Dann legt er sich auf den Bauch und Knut turnt auf seinem Rücken herum. Er leckt Dörfleins Gesicht ab und wird dafür liebevoll gestreichelt. „Ist der süüüß“, hallt es über die Absperrungen. Doch Dörflein und Knut sind wie entrückt.

Der Rummel um Knut hat Ausmaße erreicht, die über alles hinausgehen, was der Berliner Zoo jemals erlebt hat. Die britische „Daily Mail“ widmete dem Eisbärenbaby eine Titelseite, auch die „New York Times“ berichtete. Vor dem Bärengehege haben Reporter der Nachrichtensender CNN und BBC Position bezogen, um von „Cute Knut“ zu erzählen, selbst ein baskischer Regionalsender hat ein Team geschickt.

Ein Reporter des britischen TV-Senders Sky News weiß, dass Tiere in England wie in Deutschland immer eine gute Geschichte wert seien. Doch er murrt: „Für diesen Zirkus sind wir extra nach Berlin gekommen.“ Auch der Europakorrespondent des kanadischen Senders CBC, David Common, findet den Ansturm verrückt: „Für Kanadier sind Eisbären natürlich ein großes Thema, und Knut ist göttlich süß“, sagt Common. „Aber letzte Woche ging es in Potsdam um die Klima-Erwärmung, und da waren höchstens ein Viertel so viele Journalisten wie hier“, kritisiert der Kanadier.

Vielleicht hätten sie einen kleinen Bären haben sollen in Potsdam.

Im Zoo geht die Show weiter: Ein Privatsender steckt Kinder in Knut-T-Shirts, der Verkäufer am Plüschbären-Stand posiert, bis die Fotografen zufrieden sind. Auch der kleine Daniel hat einen Plüsch-Knut in der Hand. Jeden Freitag geht er mit seiner Mutter in den Zoo. Sein letztes großes Erlebnis war die Ziegengeburt vor zwei Wochen. Was war schöner, die Ziegen oder der Bär? „Beides gleich gut“, sagt der Fünfjährige.

Doch auch die Begeisterung für Knut hat ihre Grenzen. „Jetzt wird’s langweilig, Knut soll Kunststücke machen“, nörgelt eine Erstklässlerin nach mehr als einer Stunde. Zur Dressur würde Zoo-Direktor Blaszkiewitz den Bären aber nie freigeben. Er braucht auch keine Kunststücke, um einzigartig zu sein: „Einen so kleinen Eisbären kann man sonst nirgends auf der Welt sehen“, sagt Tierarzt Andre Schüle in Dutzende Kameras. Blaszkiewitz nimmt den Rummel gelassen: „In einigen Wochen ist der Knut-Hype vorbei.“ Dann sei der Bär aus dem Teddyalter heraus.

Auch Pfleger Dörflein wird dann nicht mehr mit ihm schmusen können. Knut wird dann zu groß und kräftig für ihn sein. Doch noch ist Knut eine halbe Portion und müde von seinem ersten großen Auftritt. „Was meinen Sie, wie kaputt der kleine Kerl jetzt ist, morgen hat der Muskelkater“, sagt Zoodirektor Blaszkiewitz. Knut muss schlafen. Am Sonnabend ist wieder ein Besuchstag.

Ab heute ist Knut täglich von 11 bis 13 Uhr in der Brillenbärenanlage zu sehen.

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