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Komplett-Umbau bei der BVG zum Jahreswechsel: Neue Top-Manager, neue Vision, neue Strukturen
Mit neuem Führungspersonal und neuen Zuständigkeiten will Vorstandschef Henrik Falk das Unternehmen aus der Krise führen. Für die BVG ist es ein Kulturwandel – und ein Eingeständnis, was zuletzt falsch lief.
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Der 1. Januar 2026 wird ein wichtiges Datum für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Gleich eine ganze Reihe von Führungskräften tritt dann neue Jobs bei dem Landesunternehmen an. Weitere werden folgen. Und nicht nur das. Auch die Struktur des Konzerns ändert sich an entscheidenden Stellen.
Für Vorstandschef Henrik Falk ist es der Versuch, Missmanagement, unklare Strukturen und Krise bei den Verkehrsbetrieben zu beenden. Für die Mitarbeiter der BVG ist es ein immenser Kulturwandel.
BVG-Projekt GmbH bekommt neuen Chef
Eine zentrale Veränderung gibt es zum Jahreswechsel bei der BVG Projekt GmbH. Die bislang vor allem für Planung und Bau neuer U-Bahnstrecken zuständige Tochtergesellschaft bekommt einen neuen Geschäftsführer. Klaus Emmerich, bislang Bereichsleiter Angebot bei der BVG soll das Unternehmen künftig neben dem bereits amtierenden Geschäftsführer Dennis Backwinkel leiten.
Auch im Mutterkonzern werden Posten neu besetzt. Die neue Einheit Betrieb Bahn wird nach Tagesspiegel-Informationen ab dem Jahreswechsel Meike Brännström führen. Sie ist derzeit Geschäftsführerin Betrieb der BVG-U-Bahn-Tochter Berlin Transport GmbH und kommissarische Co-Leiterin des Bereichs U-Bahn.
Neue Bereichsleiter für U-Bahn und Bus starten
Für die neue Geschäftseinheit Betrieb Bus wurde ebenfalls eine neue Leitung gefunden. Sie übernimmt ab Januar Ronny Dethloff, aktuell kommissarischer Bereichsleiter Bus und seit Jahrzehnten im Unternehmen. Es ist nur der Anfang. Mehrere weitere Geschäftseinheiten der BVG erhalten in den kommenden Monaten neue Führungen.
Es waren einfach zu viele Projekte gleichzeitig, aber keines ist fertig geworden.
BVG-Mitarbeiter zu den Problemen der vergangenen Jahre
Auch bei der BVG Projekt stehen zusammen mit dem neuen Co-Chef weitere Neuerungen an. Ab sofort soll die BVG-Tochter neben U-Bahnen auch für Planung und Bau aller neuen Tramstrecken in Berlin zuständig sein. „Dadurch werden Synergien noch effektiver genutzt und gebündelt und die Verantwortung innerhalb der BVG klar zugeschnitten“, heißt es in einer hausinternen Mitteilung der BVG zur Neubesetzung, die dem Tagesspiegel vorliegt.
BVG korrigiert Fehler der vergangenen Jahre
Die Entscheidung ist auch ein Eingeständnis dafür, was in den vergangenen Jahren bei der BVG schiefgelaufen ist. Bislang kümmerte sich der Infrastrukturbereich im Konzern sowohl um neue Strecken als auch um die Sanierung bestehender Anlagen und andere Großvorhaben wie die geplanten neuen Busbetriebshöfe.

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Eine Mammut-Aufgabe, mit der die Einheit offenbar überfordert war. Weil die Planer alles gleichzeitig machen sollten, kamen viele Projekte jahrelang nicht entscheidend von der Stelle.
Allein 2024 lagen die Investitionen bei der BVG 286 Millionen Euro unter Plan, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht. Neben Verzögerungen beim Kauf neuer U-Bahnen sei dies auf Verschiebungen „bei Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen zurückzuführen“, heißt es in einem vertraulichen Bericht der Verkehrsverwaltung an das Abgeordnetenhaus aus dem März, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Weil die Planungen nicht vorangingen, bekam die BVG die vom Land bereitgestellten Mittel einfach nicht ausgegeben. „Wir haben uns verzettelt“, heißt es dazu heute selbstkritisch aus dem Konzern. „Es waren einfach zu viele Projekte gleichzeitig, aber keines ist fertig geworden.“
So ging bei dem für den Umstieg auf Elektrobusse essenziellen Um- und Neubau der Busbetriebshöfe lange Zeit wenig voran. Eigentlich sollte etwa der neue Doppelbetriebshof an der Rummelsburger und Köpenicker Landstraße in Oberschöneweide 2023 fertig werden. Doch lange passierte nichts. Beim Baustart vergangene Woche war nun von 2027 die Rede.
Es habe „deutliche Verzögerungen“ beim Bau der Betriebshöfe gegeben, konstatierte die Senatsverkehrsverwaltung im Sommer dieses Jahres in einem Bericht an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Die BVG kämpfe mit „begrenzter Personalkapazität“. Sprich: Die Verkehrsbetriebe waren nicht in der Lage, alle geplanten Projekte zeitgleich umzusetzen.
Henrik Falk steuert bei den Busbetriebshöfen um
Zu diesem Schluss war auch der Anfang 2024 gestartete Vorstandschef Henrik Falk gekommen – und zog schließlich die Reißleine. Statt parallel alle Betriebshöfe um- und neuzubauen, liegt der Fokus nun darauf, zunächst den Doppelstandort auf beiden Seiten der Spree in Schöneweide schnellstmöglich in Betrieb zu nehmen.
Nur mit diesen Anlagen kann die BVG die Zahl der Elektrobusse signifikant steigern. Erst später sollen dann auch die übrigen Bestandshöfe für E-Fahrzeuge umgerüstet werden.
Ähnlich ist die Lage bei den neuen Tramstrecken. Der erwartete Betriebsstart für die derzeit in Planung befindlichen Linien musste bereits mehrfach in immer fernere Zukunft verschoben werden. Nun sollen sich darum stattdessen die Ingenieure bei der BVG Projekt kümmern. Der Infrastrukturbereich hingegen soll sich auf die Planungen abseits neuer Schienenstrecken konzentrieren.
BVG strukturiert Geschäftseinheiten neu
Es ist ein Muster, das sich derzeit auch bei anderen Entscheidungen in der BVG abzeichnet. Zum Jahreswechsel tritt an der Konzernspitze eine komplett neue Struktur in Kraft. Einerseits wird damit neu verteilt, wer von den künftig drei Vorstandsmitgliedern, Henrik, Falk, Betriebs- und Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe und dem im neuen Jahr beginnenden Technik- und Infrastrukturvorstand Marc Hermann, welche der künftig 22 Geschäftseinheiten überwacht.
Andererseits wurden zentrale Bereiche für das zuletzt kriselnde Fahrgastgeschäft neu zugeschnitten. So werden die bisherigen Geschäftseinheiten U-Bahn, Tram und Omnibus geteilt und neu zusammengesetzt. Eine Einheit ist künftig nur für den Betrieb zuständig, eine andere für die Technik. Gleiches gilt für U-Bahn und Tram. Auch dort gilt die neue Aufteilung. Zugleich werden die beiden Fahrzeugarten zu einem Bereich Bahn verschmolzen.
Statt Betrieb und Technik, also die Fahrzeuge, in einer Hand zu haben, teilt die BVG die Zuständigkeiten also auf. Auch das ist eine Lehre aus den Krisen der vergangenen Jahre. Bei der U-Bahn kämpfte die BVG etwa zeitgleich mit fehlenden Fahrern und Problemen bei der Lieferung der neuen Züge.
Zu viele Aufgaben, denen der Ex-Betriebsvorstand und die damalige U-Bahn-Bereichschefin Nicole Grummini aus Sicht von Vorstandschef Henrik Falk offenbar nicht gewachsen schienen. Im Herbst 2024 verließen beide das Unternehmen.
Damals liefen all diese Herausforderungen noch einzig in Erfurts Ressort zusammen. Auch das soll es nicht mehr geben. Der Betrieb von Bus und Bahn liegt künftig bei Personalvorständin Zeller-Grothe. Sie soll dann auch das seit Jahren schwelende Problem lösen, dass die BVG zwar mehr Leute für den Fahrdienst einstellen könnte, aber keine ausreichenden Kapazitäten in der eigenen Fahrschule hat, um sie auch auszubilden, heißt es im Konzern.
Auch um solche Dinge zu verhindern, führt das Unternehmen derzeit konkretere Zielvorgaben für alle Bereiche ein. Viele Einheiten hätten bislang ohne übergeordnete Steuerung gearbeitet, heißt es aus dem Unternehmen. Das ändere sich unter Henrik Falk massiv.
Nach zwei Jahren an der Spitze wird damit die Handschrift des Vorstandsvorsitzenden bei der BVG immer deutlicher sichtbar. Zuletzt wurden die Verkehrsbetriebe in der langen Ägide unter der bis 2020 amtierenden Chefin Sigrid Nikutta so stark von einer Führungskraft geprägt.
Falk will das Landesunternehmen insgesamt noch stärker einer strategischen Vision unterordnen, sagt eine Führungskraft. Seiner strategischen Vision.
Ob den Umbau des Konzerns oder die Mobilität der Zukunft, Falk hat einen Plan, wo er die BVG hinsteuern will, und verfolgt ihn trotz der heftigen Krise, in der das Unternehmen steckt, konsequent. Ob es der richtige Weg ist, werden in Zukunft die Zahlen zeigen.
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