
Mode für Muslima: Koranvers als Werbebotschaft
Eine Neuköllner Boutique verkauft Kopftücher und Vollschleier. Das Geschäft will modebewusste Frauen muslimischen Glaubens ansprechen. Nicht jeder kann sich mit dem Konzept des Ladens anfreunden.
Die Botschaft an der Fassade des Ladens ist eindeutig: „Und sprich zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham hüten, ihren Schmuck nicht offen zeigen, bis auf das, was sichtbar ist“, steht dort auf Deutsch zu lesen. Und weiter: „Sie sollen ihre Tücher auf den Schlitz ihres Gewandes schlagen und ihren Schmuck vor niemand anderem enthüllen als vor ihrem Ehemann.“ Aber nicht nur der Vers in Anlehnung an den Koran steht an der Boutique in der Neuköllner Flughafenstraße, sondern auch die Bezeichnung der Kleider, die hier verkauft werden: „Abaya“, „Jilbab“, „Niqab“ und „Hijab“. Außer modischer Kleidung und Accessoires für gläubige Muslima gibt es auch den Vollschleier.
Auf die Werbung angesprochen, sagt Neuköllns Bezirksbürgermeister Hein Buschkowsky: „Ich finde das nicht sehr glücklich, um es dezent auszudrücken.“ Er frage sich, weshalb die Ladenbesitzer diese Ansprache ihrer Kundschaft wählten. „Es ist eine Botschaft, die die Mehrheit der Bevölkerung nicht unterstützt“. Zudem sei es eine sehr orthodoxe Leseweise des Korans, die dem arabischen Leben nicht generell zugeschrieben werden könne – zumindest nicht in Deutschland. „Und wäre er auf Arabisch, wäre es auch nicht besser.“
Das Konzept für die Boutique hat sich Iman E. zusammen mit ihrer Freundin, der Ladenbesitzerin ausgedacht. „Viele islamische Frauen sind trendbewusst, bekommen die Kleidung aber nur im Internet“, sagt Iman E. Sie versichert, dass niemand mit dem Spruch provoziert werden sollte: „Als Kopftuchträgerinnen haben wir schon genug Probleme. Wir wollen gläubige Frauen ansprechen, die wie wir gern ihr Haar verhüllen oder die Vollverschleierung tragen.“ Und da die meisten der Kundinnen aus der zweiten und dritten Generation stammten und kein Arabisch sprechen würden, sei der Vers auf Deutsch, ergänzt Boutique-Besitzer Wasfi Al Ghzawi.
Iman E. erzählt, dass mancher Passant vor dem erst Anfang Dezember eröffneten Laden stehen bleibt und den Kopf schüttelt – aber nicht allein wegen des Verses, sondern auch wegen der Modepuppen, die lange Gewänder tragen. Im geräumigen Laden selbst sind die Kleider übersichtlich auf Ständern sortiert. Bunte Kopftücher gibt es, lange, schwarze Gewänder mit farbigen Stickereien und Strasssteinchen und eine große Auswahl an verzierten Nadeln, mit denen die Gewänder und Schleier befestigt werden. Die mehr als 20 Modelle kosten zwischen 20 und 55 Euro.
„Die Auswahl ist ausgefallener als in anderen Läden im Kiez, die eher auf schlichtes setzen“, findet Iman E. Am Glastresen zeigt Al Ghzawi einer Kundin ein paar Kopftücher. Sie unterhalten sich auf Deutsch. Was hält die Kundin von dem Werbeslogan an der Fassade? „Es gibt verschiedene Auslegungen der Sure. Diese teile ich nicht ganz. Aber es stört mich nicht, und dass ich das Kopftuch trage, ist eine Herzensentscheidung.“ Und Iman E. weist darauf hin, dass es nun einmal in Neukölln viele gläubige, kopftuchtragende Muslima gebe. Interessierte seien herzlich eingeladen, einen Blick in den Laden zu werfen, um ihre Ängste abzubauen. Viele Nichtmuslime seien auch schon hereingekommen. „Wir beißen auch nicht.“ (Tsp)