
© Alix Faßmann
Krise in Pankower Werk: IG Metall stellt Stadler Ultimatum – und droht mit Warnstreik
Die Gewerkschaft will Standort- und Beschäftigungssicherheit für die Mitarbeitenden, bevor sie mit Geschäftsführung über Lohneinschnitte verhandelt. Beschäftigte sind wütend und verunsichert.
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An diesem Montagmittag stehen noch mehr Beschäftigte vom Zugbauer Stadler vor ihrem Werk in Berlin-Pankow. Zum zweiten Mal rief die IG Metall Berlin zur Kundgebung auf, seitdem die Geschäftsführung den 1700 Beschäftigten vor zwei Wochen mitgeteilt hatte, dass an dem Standort mit massiven Sparmaßnahmen zu rechnen sei ‒ bis zum Stellenabbau und zur Teilstandortschließung. Die Gespräche zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern brachten bisher keine Einigung, nur Streit über Stilfragen. Jetzt droht die IG Metall mit einem Warnstreik.
„Das hier wird unsere letzte Kundgebung sein“, ruft Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, den Hunderten Mitarbeiter:innen zu. „Das ist die letzte Chance für Stadler. Wir warten auf die Standortgarantie von Stadler bis morgen um 18 Uhr. Sollte sie nicht eintreffen, haben wir uns auf härtere Schritte vorbereitet.“
Mit „härteren Schritten“ meint Otto einen Warnstreik, zu dem er seine Mitglieder ab Mittwochmorgen aufrufen würde, wenn die Geschäftsführung von Stadler sich nicht auf sein Ultimatum einlassen sollte. Er bekommt johlenden Applaus von den Anwesenden. Nach eigenen Angaben seien viele IG-Metall-Mitglieder bei Stadler hinzugekommen.
Managementversagen ist nicht durch Lohnverzicht zu heilen.
Bettina Haller, Betriebsratsvorsitzende von Siemens Mobility
Bisher wollte die Geschäftsführung von Stadler sich laut Otto nicht auf die geforderte Standort- und Beschäftigungssicherheit einlassen, bevor die Beschäftigten nicht auf einen Teil ihrer Bezahlung verzichten. „Das riecht nach Erpressung“, ruft Bettina Haller, Betriebsratsvorsitzende von Siemens Mobility aus Treptow, die zur Unterstützung gekommen ist. „Managementversagen ist nicht durch Lohnverzicht zu heilen.“
Frust und Wut über Geschäftsführung
Die Geschäftsführung äußerte sich in den vergangenen zwei Wochen nicht inhaltlich oder mit konkreten Zahlen zu den Gesprächen mit dem Betriebsrat und der IG Metall. Auch nicht gegenüber den Beschäftigten. Man widersprach sich nur öffentlich, ob nun schon verhandelt oder noch sondiert, also vorberaten, werde. „Viele sind frustriert und wütend darüber, dass seitens der Geschäftsführung keine neuen Informationen kamen“, sagt Markus Gierloff, Betriebsratsvorsitzender bei Stadler.
Bezüglich des Gesprächsstands und des Ultimatums ließ Stadler nur mitteilen: „Auch wenn der Umgang konstruktiv war, sind die Parteien ergebnislos auseinandergegangen. Die beteiligten Parteien sind weiterhin zuversichtlich, ein gutes und richtiges Ergebnis für die Standorte Berlin, Velten und Hennigsdorf zu erzielen.“

© Alix Faßmann
Mirko Höft und seine Kollegen erkennt man an ihrer Stadler-Sicherheitskleidung in Orange. Sie arbeiten alle im „Aufsetzbereich“ in der Halle, vor der sich die Belegschaft versammelt hat. Die letzte Station für ein fertiges Schienenfahrzeug, ehe es die Produktion verlässt und geliefert werden kann. „Die Stimmung in den letzten zwei Wochen war ziemlich schlecht und verunsichert“, erzählt der 48-jährige Höft, der selbst seit 20 Jahren für Stadler arbeitet. „Es geht einfach um Existenzen.“
Vor zwei Wochen noch wollten die meisten Mitarbeiter lieber anonym bleiben, wenn sie etwas von dem dysfunktionalen Produktionsablauf erzählten. Jetzt stellt sich Höft mit seinen Kollegen für ein Gruppenfoto vor seine Werkshalle.
Auch aus der Berliner Politik ist am Montag Unterstützung gekommen. Bettina Jarasch von der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus will den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an sein Versprechen erinnern, der bei seinem Krisenbesuch bei Stadler Unterstützung zugesagt hatte. „Dafür braucht es jetzt Zusagen vom Land Berlin“, fordert Jarasch. Gemeint ist die volle Ausschöpfung des Rahmenvertrags mit der BVG und eine entsprechende Bestellung aller 1500 U-Bahn-Wagen. „Es geht um unsere U-Bahnen und eine funktionierende Berliner Infrastruktur“, bekräftigt Damiano Valgolio von der Linksfraktion aus dem Abgeordnetenhaus.
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