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Ab kommenden Montag gilt die Testpflicht für Schulen in Berlin.

© Sven Hoppe/dpa

Update

Kritik und Sorgen wegen offener Schulen in Berlin: „Die Tests sind unsicher, aber sie geben ein Stück Selbstermächtigung zurück“

Virologe Christian Drosten und Amtsarzt Patrick Larscheid warnen davor, sich zu sehr auf Schnell- und Selbsttests zu verlassen. Was bedeutet das für Schulen?

Seit dieser Woche werden in den Berliner Schulen Selbsttests für die Kinder und Jugendlichen eingesetzt. Das funktioniert an einigen Schulen sehr gut, wie der Tagesspiegel auf Nachfrage bei diversen Grund- und Oberschulen erfuhr.

Auch die Schulen, die sich Anfang der Woche über fehlende Tests beschwert hatten, sollten laut der Senatsbildungsverwaltung jetzt gut versorgt sein. Es gebe nun „ausreichend“ Tests. Nachschub könne jederzeit über eine Test-Hotline bestellt werden. Verpflichtend sind diese ab dem 19. April.

Nun warnt allerdings Charité-Virologe Christian Drosten vor der trügerischen Sicherheit, die durch Schnelltests entstehen könne. Denn die Tests seien unsicherer als zuletzt proklamiert.

„Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptombeginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös“, sagt Drosten in der neuesten Folge des NDR-Podcasts „Coronavirus-Update“.

Und: „Wenn man davon ausgeht, dass eine infizierte Person in der Regel acht Tage lang ansteckend ist, heißt das: An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“
Was bedeutet das für den weiteren Einsatz von Selbsttests in Schulen? Für Amtsarzt Patrick Larscheid ist diese Erkenntnis nichts Neues. Schon vor einigen Monaten hatte er davor gewarnt, die Schnelltests zu Heilsbringern zu glorifizieren. „Die Tests sind unsicher, das wissen wir“, sagt er. „Aber sie geben den Eltern und den Kindern ein Stück Selbstermächtigung zurück.“

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Ein paar Infizierte könne man über die Tests identifizieren, die wichtigsten Mittel für die Pandemiebekämpfung blieben aber Abstand halten, Maske tragen und Lüften. Die Gefahr lauere in der räumlichen Nähe und der Zeitspanne, die eine gesunde Person mit einer Infizierten verbringt – das gelte für die Schule wie für andere Orte.

Trotzdem sei der Einsatz der Schnelltests an Schulen gerechtfertigt, sagte Christian Drosten im NDR-Podcast. „Selbst wenn bei einer Testung nicht alle Infektionen entdeckt werden, bei der nächsten Testung nach zwei oder drei Tagen werden die Infektionen dann nachgewiesen.“ Wichtig sei viele Ansteckungen in einer Gruppe - einem sogenannten Cluster - zu verhindern. „In Clustern ist solch ein geringer zeitverzögerter Effekt kein Problem.“

Kinderschutzbund fordert bessere Betreuung von Kindern mit positiven Test

Derweil kursieren im Internet zwei Petitionen (mit 106.000 sowie 16.000 Unterstützern), die die Testpflicht an Schulen wieder abschaffen wollen, weil Eltern sie für nutzlos oder nicht zumutbar empfinden.

Kritik an der Umsetzung Testpflicht gibt es vom Kinderschutzbund Berlin „Grundsätzlich ist die Testpflicht für Kinder an Berliner Schulen zu begrüßen“, teilte Christian Neumann von dem Verband am Mittwoch mit. Das Testkonzept sei jedoch nicht durchdacht und lasse viele Fragen unbeantwortet.

Der Kinderschutzbund fordert, dass positiv getestete Schüler gut betreut werden.
Der Kinderschutzbund fordert, dass positiv getestete Schüler gut betreut werden.

© Sven Hoppe/dpa

So sei beispielsweise fraglich, wie Kinder bei einem positiven Testergebnis betreut werden sollen. „Kinder haben Ängste und sind bei einem positiven Testergebnis im Klassenraum großer Scham ausgesetzt“, sagte Neumann.

Dem Schulpersonal sollte das Testergebnis vertraulich und mündlich mitgeteilt werden, das gleiche Recht hätten auch Kinder und Jugendliche. Außerdem werde die ohnehin kurze Unterrichtszeit durch die Tests in der Schule weiter verkürzt.

[„Wer sich weigert, darf nicht am Unterricht teilnehmen“: So läuft es mit den „Nasenbohrer-Tests“ in Österreich.]

Landeselternvertreter Norman Heise hält den Einsatz von Tests weiterhin für wichtig. „Wenn sie richtig angewendet werden, können damit mindestens einige Infizierte erkannt werden.“ Viele Eltern beklagten allerdings die mangelhafte Vorbereitung für das Testen in Schulen.

„Eine Vorlage für die Einverständniserklärungen für die Eltern gibt es zum Beispiel vom Senat noch nicht. Das führt zur Verunsicherung.“ Die Bildungsverwaltung teilte mit, dass die rechtliche Prüfung dafür noch stattfinde, es vermutlich aber keine Einwilligung der Eltern brauche, sondern Eltern selbst Widerspruch einlegen müssten, wenn sie gegen das Testen sind. Genaue Details wurden den Schulen am Mittwochabend übermittelt und sind hier nachzulesen.

Amtsarzt Larscheid weist darauf hin, dass es bei der Frage um Schulöffnung darum gehe, Risiken abzuwägen. „Die gesundheitlichen und psychosozialen Schäden sind für Kinder bei einer Schulschließung deutlich höher als die Risiken für Infektionen bei offenen Schulen.“ An Schulen gebe es Corona-Fälle, Studien hätten aber immer wieder gezeigt, dass offene Schulen keine Treiber der Pandemie seien.

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