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Gewachsen auf Beton: Sebastian Herges steht als „Mahnwache“ auf dem Gendarmenmarkt – für all die Bäume, die hier nicht gepflanzt worden sind.

© Constanze Nauhaus

Kuriose Mahnwache auf Berlins neuer Steinwüste: „Weil der Gendarmenmarkt verschandelt wurde, trage ich dieses Baumkostüm“

Klimagerechte Sanierung ohne Bäume? Geht gar nicht, findet Sebastian Herges. Der Klimaaktivist ist jede Woche auf dem Gendarmenmarkt im Baumkostüm und sagt: „Kai Wegner weiß auch, dass ich hier stehe.“

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Keine Bäume auf dem Berliner Gendarmenmarkt? Von wegen. Direkt vor dem Schiller-Denkmal steht einer. Allerdings nur donnerstags von 10 bis 12 Uhr. Dafür, entgegen den Naturgesetzen, bereits mit grünem Blätterkleid.

Jede Woche hält Sebastian Herges hier vor dem Schauspielhaus „Mahnwache für Bäume auf dem Gendarmenmarkt“. So steht es auf einem Zettel, den er sich mit Kreppband an den Stamm geklebt hat. An die bodenlange rindenbraune Robe, die obenrum in einer Art Balaklava mit ein paar Blättern übergeht, ist sogar ein Astansatz angenäht. „Mir ließ das keine Ruhe, wie sehr der Gendarmenmarkt verschandelt wurde“, sagt Herges. „Ich dachte, ich muss was tun. Deshalb trage ich dieses Baumkostüm.“

Zwei Wochen sind vergangen, seitdem der Platz frisch saniert wiedereröffnet worden ist. Zwei Wochen, in denen der Gendarmenmarkt so umstritten diskutiert wurde wie selten in seiner Geschichte. 16 Jahre Planung, zwei Jahre Bauarbeiten, und dann das: „Steinwüste im Klimanotstand“, heißt es im Netz unter dem Hashtag #Gendarmenmarkt. „Auf Social Media wurde die Eröffnung so schön gefeiert, aber dieser Gendarmenmarkt gleicht einer Betonwüste“, findet auch Herges.

Wenn wir so weitermachen, dann ist ganz Berlin bald eine Steinwüste.

Sebastian Herges, Aktivist und Baum

Er selbst hat sich in Berlin schon vor seiner Identität als Baum einen Namen gemacht: Er ist Neuköllner Klimaschutzpate und manchen als „BerlinerBäumeWässerer“ bekannt, der Anwohner der Hufeisensiedlung zum gemeinsamen Bäumegießen aufruft. „Der Baum an sich ist zum Politikum geworden. Wenn wir so weitermachen und alles abrasieren, dann ist ganz Berlin bald eine Steinwüste“, sagt er. Und: „Kai Wegner weiß auch, dass ich hier stehe.“

Das weiß auch die Polizei. Deshalb dürfen sich ihm andere Bäume zwar anschließen, aber nur mit Anmeldung: „Ab zwei Leuten gilt das als Kundgebung.“ Als Wald sozusagen.

Den Halbmarathon läuft er im Baumkostüm

Ein japanischer Tourist hält wenige Meter vor Herges an, schaut ihn interessiert an. „What are you doing?“, fragt er. Herges erklärt es ihm. Die Frage, ob ihn als Baum denn der heutige Nieselregen freue, kann ihm nur ein müdes Lächeln entlocken.

Verkleiden liegt ihm: Beim 50. Neujahrslauf des Berliner SCC im Jahr 2023 gewann er den Preis für das beste Kostüm. Er war, mit glitzernden Plaste-Boas angetan, als „Goldstück“ verkleidet – um „alle anderen Ehrenamtlichen“ mal zu würdigen.

Beim Halbmarathon am 6. April will Herges wieder, wie in den vergangenen Jahren, eine grüne Gießkanne mit sich führen – aber nicht nur: Denn er wird in diesem Jahr den Lauf auch erstmals im Baumkostüm absolvieren. „Ich bin das lebendige Beispiel dafür, dass Bäume Menschen brauchen und Menschen Bäume.“

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