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Kürzungen in der Wissenschaft: Spart sich Berlin seinen größten Trumpf kaputt?
Der Berliner Senat hat für 2026/2027 einen Rekordhaushalt beschlossen. Doch die Sparlast auf den Unis bleibt hoch. Droht der Wissenschaftsstandort abzusteigen? Oder liegt in der Verkleinerung eine Chance?
- Sebastian Stietzel
- Juri Rappsilber
- Günter M. Ziegler
Stand:
Der Berliner Senat kürzte den Hochschulen der Stadt ihr Budget für 2025 um mehr als 140 Millionen Euro. Das trifft sie hart: Sie müssen ihr Angebot an Studienplätzen um zehn bis 15 Prozent verkleinern, dutzende Professuren streichen, ganze Fachbereiche schließen. Die Uni-Chefs warnen vor Qualitätsverlust in Lehre und Forschung – zumal sie auch für 2026/2027 weniger Zuschüsse bekommen, als 2024 vom Land versprochen.
Zwar kündigte der Senat an diesem Dienstag Rekordausgaben für den nächsten Doppelhaushalt an. Ob sich die Hochschulen auf den neuen Finanzierungsplan bis 2027 einlassen werden, entscheidet sich an diesem Mittwoch. Schon seit Monaten beraten deren Leitungen, wie sie sich unter Spardruck neu aufstellen, und verhandeln mit dem Senat den Plan für die kommenden Jahre. Man habe „wesentliche Fortschritte“ gemacht, hieß es dazu vergangene Woche.
In unserer Rubrik „3 auf 1“ fragen wir angesichts der Kürzungen bei den Hochschulen: Beschädigt die Hauptstadt eines ihrer Alleinstellungsmerkmale: die starke Wissenschaft? Es antworten Sebastian Stietzel, Chef der Industrie- und Handelskammer Berlin, der TU-Professor Juri Rappsilber und der Sprecher der Berlin University Alliance Günter M. Ziegler.
Wirtschaft und Wissenschaft müssen stärker zusammenwachsen
Ein starker Wissenschaftsraum ist kein Luxus, sondern das Betriebssystem des Wirtschaftsstandorts. Angesichts der geplanten Kürzungen sieht die Berliner Wirtschaft die Hochschullandschaft am Kipppunkt.
Ja, die Finanzlage erfordert Sparsamkeit. Aber die Politik muss aufpassen, dass sie kurzfristige Einsparungen nicht mit verlorener Wettbewerbsfähigkeit und reduzierter Standortattraktivität teuer bezahlt.
Hochschulen brauchen als Orte der Innovation und Fachkräftesicherung eine sichere Grundfinanzierung. Weniger Studienplätze heute bedeuten morgen weniger Talente für Berliner Unternehmen.
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Gleichzeitig liegt in der Krise auch eine Chance: Wissenschaft und Wirtschaft dürfen nicht länger in getrennten Silos agieren, sondern Transfer muss zur DNA werden – damit aus Spitzenforschung marktfähige Produkte werden. Erfunden in Berlin, produziert in Berlin, für Berlin und Märkte weltweit – dieses Ziel erreichen wir nur gemeinsam.
Ein Beispiel ist die Startup-Factory Unite: Die Fördermillionen vom Bund gibt es nur, weil Wirtschaft und Investoren mit zehn Millionen Euro einsteigen. Mehr Partnerschaft zu wagen, ist deshalb notwendig – und überfällig.
Wir müssen vom Hoffen ins Handeln kommen
„Man muss sich immerfort verändern, erneuen, verjüngen, um nicht zu verstocken“ – Was sich der 80-jährige Goethe als Maxime gab, wird im öffentlichen Dienst nicht genug bedacht. Berlins Hochschulen trifft dieser Fehler mit voller Wucht: Die Politik wähnt sie aufgebläht und ineffizient.
Nun müssen sie ihr Programm um bis zu 15 Prozent einsparen, 145 Millionen Euro allein im laufenden Jahr, bei minimaler Vorlaufzeit. Die verstockte Antwort der Unis: Einstellungsstopps, Kapazitätsabbau, Verteilungskämpfe, Klagen. Flexible Mittel für Neues und Wandel werden zuerst gestrichen.
Die Not könnte sich allerdings auch zum Katalysator entwickeln. Denn kein System ist perfekt, Reformen sind im akademischen Sektor überfällig. Ob die Quadratur des Kreises gelingt, besser zu werden mit weniger? Dazu müssen interne Prozesse kompromisslos auf Wirkung ausgerichtet werden, indem Digitalisierung beschleunigt, Bürokratie abgebaut, Gremien durchlüftet und Mentalitäten überall vom Bewahren zum Entwickeln umgeschaltet werden.
Zudem müssen die Hochschulen klar an die Politik formulieren: Wir brauchen Kooperation statt Gängelung, sofort! Schlau sparen kann Schwächen ab- und Stärken aufbauen. Die Probleme sind so alt wie Berlin und seine Hochschulen. Die Zeit des Hoffens muss der Zeit des Handelns weichen. Wann, wenn nicht jetzt?
Die Investitionen in die Wissenschaft zahlen sich mehrfach aus
Berlin mag weniger Großinvestoren haben als andere Metropolen. Aber es zieht kluge Köpfe an. Die Stadt war schon vor über 100 Jahren „Brain City“, damals mit Siemens und Einstein. Heute ist sie das umso mehr: mit exzellenten Unis, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, dicht vernetzt mit Kunst und Kultur.
Klug wäre, wenn Berlin jetzt auf seinen größten Trumpf setzt und in diese Köpfe investiert. Es ist belegt: Jeder Euro für die Wissenschaft zahlt sich mehrfach als Rendite für Berlin aus. Die hier ausgebildeten Fachkräfte werden dringend gebraucht, ob bei der Polizei, in Schulen, Verwaltung oder Medizin. An Forschung gewinnen Demokratie und Wirtschaft, sie bringt die Digitalisierung und Gesundheit voran.
Der Entwurf des Senats für den Doppelhaushalt 2026/27 wiederholt zwar nicht die brutalen Schnitte aus dem Dezember 2024 in die Wissenschafts- und Kulturlandschaft. Er setzt die Hochschulen aber weiter unter starken Spardruck: Sie müssen Studienplätze abbauen und sich verkleinern. Zugleich sollen sie aber ihre Qualität steigern? Diese Rechnung geht nicht auf. Berlin droht, exzellente Chancen zu verspielen, anstatt seine Stärken zu schärfen.
- 3 auf 1
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