zum Hauptinhalt

Berlin: Lange Wege, volle Wartezimmer

Fachärzte wollen ab dem 29. Januar täglich 1000 Praxen schließen. Der Protest ist heftig umstritten

Die Berliner Ärzte machen Ernst mit dem Plan, ihre Praxen aus Protest gegen die rot-grüne Gesundheitsreform Flächen deckend dichtzumachen. Am Montagabend einigten sich die Vorsitzenden aller Facharztverbände darauf, ab dem 29. Januar an jedem Werktag der Woche rund 1000 der insgesamt 6200 Berliner Praxen zu schließen. Und zwar regional konzentriert: Alle Facharztpraxen eines Altbezirks (vor der Gebietsreform) bleiben zu. Die Aktion ist zunächst für fünf Wochen geplant. Die Patienten müssen sich auf längere Wege und überfüllte Wartezimmer einstellen.

„Der Patient wird von uns nicht missbraucht“, weist Albrecht Scheffler, der Vorsitzende der Berliner Facharztgemeinschaft, entsprechende Kritik zurück. „Der Kranke hat nur das Pech, 2000 Meter weiter gehen zu müssen, um eine geöffnete Praxis zu finden.“ Das sei dann zwar ein anderer Mediziner, der den Patienten nicht kenne. Doch genau das plane die Gesundheitsministerin mit ihrer Reform, wonach die Fachärzte vor allem an den Krankenhäusern konzentriert werden. „Da wird dann der Patient auch nur von dem Arzt behandelt, der gerade Dienst hat“, sagt Scheffler, dessen Gemeinschaft nach eigenen Angaben in Berlin 4000 Fachärzte repräsentiert. Damit gehen die Berliner Ärztefunktionäre von allen Kassenärzten am weitesten. In anderen Bundesländern gibt es nur Aktionstage, Demonstrationen und Praxisschließungen an einem Wochentag.

Allerdings sind die Protestaktion nicht unumstritten. Der Verband der hausärztlichen Internisten, der in Berlin etwa 800 Mediziner repräsentiert, hält die Proteste für eine „ungeeignete Kampfmaßnahme“. Auch die Allgemeinärzte stimmten Flächen deckenden Praxisschließungen nicht zu, weil man einen besonderen Versorgungsbedarf erfüllen müsse. Und die größte Fraktion in der Berliner Ärztekammer, die „Fraktion Gesundheit“, verurteilte die Aktion als „Frontalangriff gegen die Gesundheit der Patienten“.

Sollten die Fachärzte mit ihrem Protestaufruf Erfolg haben, dann bekommen sie Ärger mit der Senatsgesundheitsverwaltung. Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse hat die Kassenärztliche Vereinigung bereits vorsorglich davor gewarnt, die Versorgung der Patienten zu gefährden. Sollten tatsächlich alle Praxen eines ganzen „Alt-Bezirks“ schließen oder sich 20 Prozent aller Praxen an dem Ausstand beteiligen, dann sei diese Versorgung nicht mehr gewährleistet und die Senatsbehörde zum Einschreiten gezwungen. Die Krankenkassen werden ihre Versicherten dazu aufrufen, alle geschlossene Praxen zu melden. „Nur so können wir feststellen, wie viele Mediziner sich an den Protesten beteiligen“, sagt Andreas Kniesche, Sprecher der Ersatzkassen, zu denen die Barmer, die Techniker- und die Angestelltenkrankenkasse gehören. Bei dem Kassenverband sieht die geplanten Aktionen gelassen: „Das Praxisnetz ist so dicht, dass die Proteste wohl niemand mitbekommen wird.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false