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Runter vom Gas. Tempo 30 bringt nur etwas, wenn der Verkehr besser fließt.

© Florian Gaertner/photothek.net/Imago

Leipziger Straße in Berlin: Tempo 30 für bessere Luft zeigt nur geringe Wirkung

Seit zwei Monaten gilt bei einem Pilotprojekt auf der Leipziger Straße Tempo 30, doch die Stickoxidbelastung sinkt kaum. Die Senatsverwaltung will noch abwarten.

Zwei Monate nach Einführung von Tempo 30 in der Leipziger Straße sehen sich die Kritiker voll bestätigt: Ein Tempolimit gegen hohe Schadstoffkonzentrationen sei eine „Luftnummer“, schimpft der Spandauer CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner. Eine „inszenierte Schmierenkomödie“, sekundiert AfD-Verkehrsexperte Frank Scholtysek. „Den rotrotgrünen Autohassern ging es aber von vorneherein nur darum, mit Taschenspielertricks die Voraussetzungen für Fahrverbote zu schaffen.“

Grund der Empörung sind erste Messdaten der Stickoxidbelastung. Sowohl die Senatsverwaltung für Umwelt als auch ein Team der TU – in Kooperation mit dem RBB – haben im April, dem ersten Monat mit Tempolimit, nur einen geringen Rückgang der Schadstoffwerte festgestellt. Die Senatsverwaltung ermittelte bei Stickstoffdioxid (NO2) einen Rückgang von 56 auf 52 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, die von der TU betriebenen Messstellen meldeten sogar 66 Mikrogramm für April. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Die Verwaltung hält die von TU und RBB erhobenen Daten jedoch „aus methodischen und messtechnischen Gründen“ für ungeeignet.

Dem Stop-and-Go ist nicht beizukommen, sagt ein Experte

Die Senatsverwaltung für Umwelt hat ihre Daten aufgrund einer Anfrage des SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier herausgegeben – mit der Einschränkung, nach einem Monat sei noch keine „belastbare generelle Bewertung des Modellversuchs“ möglich. Abgerechnet werde erst nach einem Jahr, weil auch der EU-Grenzwert als Mittelwert über ein Jahr definiert sei. TU-Forscher Wolfgang Frenzel erklärte dagegen im RBB, die bisherigen Messungen seien auch übers ganze Jahr betrachtet aussagekräftig. Der Leipziger Straße mit ihrem Stop-and-Go-Problem sei mit Tempo 30 nicht beizukommen. In anderen Straßen, in denen es weniger Ampelkreuzungen gibt, wie Tempelhofer Damm oder Kantstraße, stünden die Chancen dagegen besser.

Tempo 30 soll vor allem den Verkehrsfluss verbessern, damit sich die Autos nicht vor roten Ampeln stauen und zusätzliche Abgase beim Anfahren in die Luft pusten. Ob dieser Effekt auch an der Leipziger Straße eintritt, ist noch strittig. Die Menge der Fahrzeuge hat nicht abgenommen, die Straße wird also nicht bewusst gemieden. Die Senatsverwaltung rechnet mit einem halben Jahr, „bis sich die durchschnittliche Geschwindigkeit auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert hat“. Die Polizei begann erst Mitte Mai mit Tempokontrollen. Dabei wurden bei knapp 10.000 Fahrzeugen 538 Überschreitungen registriert – eine relativ niedrige Quote von 5,4 Prozent. Die durchschnittliche Quote in Tempo-30- Zonen beträgt 9,3 Prozent.

Tempo 30 senkt NO2-Belastung um sechs bis zwölf Mikrogramm

Anfang Juni wurde auch auf der Potsdamer Straße zwischen Potsdamer Platz und Kleistpark Tempo 30 angeordnet, hier wollte die Polizei sofort mit Kontrollen beginnen. In der Potsdamer Straße liegen die Stickoxidwerte im Mittel bei 56 Mikrogramm, deutlich niedriger als in der Leipziger, aber auch das wäre wahrscheinlich noch zu hoch. Nach Daten des Umweltbundesamtes sinken die Schadstoffwerte nach Einführung von Tempo 30 um sechs bis zwölf Mikrogramm. Es müssten also zusätzliche Maßnahmen greifen, etwa eine Umstellung der Fahrzeugflotten. Der Senat hat hier nur begrenzten Einfluss. Umweltsenatorin Regine Günther (für Grüne) fordert deswegen bei jeder Gelegenheit, dass ältere Dieselfahrzeuge nachgerüstet werden – auf Kosten der Hersteller.

An 29 Hauptverkehrsstraßen unterhält der Senat ständige Messstationen, überall werden die NO2-Grenzwerte überschritten. Modellrechnungen zufolge wird an fast 500 Straßenabschnitten mit einer Gesamtlänge von 60 Kilometern der Grenzwert überschritten, hier gibt es für die Anwohner ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Die Deutsche Umwelthilfe hat deswegen Berlin verklagt, im Herbst wird darüber verhandelt.

Eine Studie der Berliner Verkehrsforscher von LK Argus für das Umweltbundesamt hat mehr Vor- als Nachteile für Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen ermittelt. Die Zeitverluste bewegten sich im Durchschnitt um zwei Sekunden je 100 Meter, dem stünden weniger Lärm, weniger Schadstoffe und mehr Sicherheit entgegen. Allerdings müsse eine gesellschaftliche Akzeptanz erreicht werden, denn es gelte weiterhin die These: Geschwindigkeit macht Spaß.

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