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„Lichtermeer gegen den Rechtsruck“ in Berlin: Zehntausende Menschen bei Demonstration am Brandenburger Tor
Ein Bündnis hatte zu einer Demonstration gegen Rechts mobilisiert. Sie begann mit einer Schweigeminute für die Toten in Aschaffenburg. Mit Einbruch der Dunkelheit wurden die Lichterketten immer sichtbarer.
Stand:
Ein Bündnis aus mehreren Organisationen hatte für Samstag zu einer Demonstration gegen Rechts vor dem Brandenburger Tor aufgerufen. Bei milden Temperaturen fanden sich die Demonstrantinnen und Demonstranten ab dem Nachmittag ein. Gegen 17.30 Uhr und später mehrfach sprachen die Veranstalter von einer Zahl von 100.000 Teilnehmern. Die Polizei ging von 30.000 bis 35.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus. Sie meldete keinerlei Zwischenfälle.
Überpünktlich um 16 Uhr hatte die Kundgebung mit einer Gesangseinlage der Kindermusikerin Suli Puschban begonnen. Viele Menschen hatten selbstgebastelte Schilder dabei. Große Seifenblasen schwebten über den Köpfen.

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Bevor Schauspielerin Luisa-Céline Gaffron das Lichtermeer einläutete, wurde eine Schweigeminute für die Toten in Aschaffenburg abgehalten und der Spruch „Refugees are welcome here“ gerufen.

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„Wir sind viele und wir geben nicht auf“, rief Anna-Nicole Heinrich, Präses der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), der Menge zu. „Unsere Fassungslosigkeit muss zu Widerstand werden.“ Kein Politiker sei von Gott erwählt. „Wer das sagt, erzählt Bullshit.“ Sie betonte, Gott habe allen Menschen die gleiche Würde geschenkt. „Deswegen schweigen wir nicht, wenn Menschen ausgegrenzt, angegriffen oder bedroht werden“, erklärte Heinrich. „Deswegen leisten wir Widerstand, wenn jemand die Demokratie attackiert.“ Kirchen blieben Zufluchtsorte.
An Politikerinnen und Politiker appellierte Heinrich, im Wahlkampf nicht die Fakten zu verdrehen. Sie beendet ihre Ansprache mit „Amen“.
Danach spielte die Folktronica-Band Milky Chance ihren Song „Stolen Dance“.

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Immer wieder waren auch Plakate gegen Friedrich Merz zu sehen. „Ein Mann, der so nach rechts außen geht, darf nicht Kanzler werden“, sagte Christoph Bautz, Gründer der Organisation Campact und einer der Initiatoren der Demonstration. Die Brandmauer der demokratischen Parteien gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD müsse halten, forderte Bautz. Er richtete einen direkten Appell an Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz: Wenn dieser bei Migrationsfragen eine gemeinsame Mehrheit mit der AfD suche, dann „bricht in diesem Land ein Aufstand der Anständigen los“, meinte Bautz.

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Beim Einbruch der Dunkelheit wurden die Lichterketten und Kerzen immer sichtbarer – und der Platz voller. Immer wieder wurde die Menge aufgerufen, in Richtung Siegessäule zu gehen, damit Menschen, die vom Pariser Platz kommen, Platz finden.

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Plakate wie „Fuck off Elon Musk! This is a democracy“, „AfD verbot jetzt“, „Wer schweigt, stimmt zu“ und „Herz statt Hetze“ sind zu sehen. Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer betrat unter Applaus die Bühne. Immer wieder wiederholte sie den Satz „Sie haben Hass, wir haben Haltung“. Die Menge sang: „Wehrt euch, leistet Widerstand gegen den Faschismus hier im Land, haltet fest zusammen, haltet fest zusammen“.

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Die Publizistin Carolin Emcke begann ihre Rede mit „Wir müssen uns die Worte zurückholen“. Ihre Rede war strukturiert nach fünf Buchstaben: N-O-A-F-D. N wie „normal“, O wie „offen“, A wie „Anteilnahme“, F wie „Freiheit“, D wie „Demokratie“. Zu jedem dieser Buchstaben und, wofür sie ihr zufolge stehen, sagte sie einige Sätze.

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Nele Techen vom Deutschen Gewerkschaftsbund erntete Applaus für ihren Aufruf, die Brandmauer aufrecht zu halten. Sie beendete ihre Rede mit „Glück auf“.
Als Bruneau und Mondmann ihren Song „Hand in Hand“ spielten, wippten und sangen besonders Jüngere mit.
Nach dem Ende der Demonstration wurden die Teilnehmer gebeten, in Richtung Potsdamer Platz oder Hauptbahnhof zu gehen. Der Ausgang Brandenburger Tor ist überfüllt.

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Bei der Demonstration wollten Organisationen wie „Campact“, „Eltern gegen Rechts“ und „Fridays for Future“ mit Taschenlampen, Lichterketten und Kerzen ein „Lichtermeer für die Demokratie und gegen den Rechtsruck“ erzeugen. Nach Angaben der Veranstalter waren 10.000 Teilnehmer angemeldet.

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Neben einigen Touristinnen und Touristen nutzten auch andere Gruppierungen den Andrang. Auf dem Pariser Platz wurde vor Beginn der Demonstration am Rand ein Stand mit Reichsbürger-Flaggen aufgebaut. Als das offizielle Programm losging, war er nicht mehr zu sehen. In der Mitte des Platzes standen mehrere Tierrechts-Aktivistinnen und Aktivisten von „Anonymous for the Voiceless“. Mit zwei Bildschirmen, auf denen Tiere in Käfigen gezeigt werden, machten sie auf die Qualen von Massentierhaltung aufmerksam.
Die Amtseinführung von Donald Trump, die möglicherweise bevorstehende Kanzlerschaft des FPÖ-Parteivorsitzenden Herbert Kickl in Österreich und die hohen Umfragewerte der AfD: Dies seien die aktuellen Gründe, die die Initiatoren in den vergangenen zehn Tagen veranlasst hätten, die Demonstration zu planen, hatte Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz im Vorfeld der Demonstration gesagt. Außerdem hätten diese durch die hohen Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag in Riesa ein Momentum wahrgenommen, so Bautz.
Die „Breite der Gesellschaft von Linken- bis Unions-Wählern“ seien aufgerufen, am „Lichtermeer gegen den Rechtsruck“ teilzunehmen, sagt Campact-Geschäftsführer Bautz vor der Demonstration. Konkret fordern die Veranstalter die demokratischen Parteien auf, die Brandmauer aufrechtzuerhalten. Zudem müsse die neue Bundesregierung die Macht großer Social-Media-Plattformen einschränken, die wehrhafte Demokratie schützen und für den Erhalt der Lebensgrundlagen einstehen.
Abgesehen von dem Lichtermeer am Berliner Brandenburger Tor waren für Sonnabend weitere Demonstrationen unter anderem in Köln, Lüneburg und Flensburg geplant. Christoph Bautz, Geschäftsführer von Campact, erklärte, dass 70.000 Menschen in Köln auf die Straße gegangen seien. Für die nächste Zeit seien außerdem weitere Aktionen in Bremen, Frankfurt und Dresden geplant, so Bautz. (mit dpa)
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