
© Andreas Klaer
Liebesquartett gesegnet: Landeskirche rüffelt Kreuzberger Pfarrerin für Polygamie-Aktion und ist entsetzt vom Hass
Wo, wenn nicht in Kreuzberg? Dort segnet eine Pfarrerin bei einem Pop-up-Hochzeitsevent vier Männer und deren polyamore Beziehung. Nun schaltet sich Landesbischof Christian Stäblein ein.
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In der Evangelischen Kirche ist es der letzte Schrei: Immer öfter laden die Protestanten zu „Pop-up-Trauungen“, „Hochzeitsfestivals“ und ähnlichen Aktionen ein. Das Konzept dahinter: Interessierte Paare können einfach vorbeikommen, sprechen kurz mit einem Pfarrer, und werden dann getraut.
Auch „Pop-up-Taufen“, bei denen Menschen einfach so und ohne große Vorgespräche in die Kirche eintreten können, stehen derzeit hoch im Kurs. Der Gedanke dahinter ist klar: Die unter Mitgliederschwund leidende Kirche sucht nach Volksnähe und will einen möglichst niedrigschwelligen Kontakt zu den Menschen etablieren.
Manchmal aber scheinen die Kirchenvertreter die Dinge etwas zu leicht zu nehmen: Die Berliner Pfarrerin für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Lena Müller, segnete bei einem Hochzeitsfestival im Sommer vor der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche vier Männer, die sich in einer „polyamoren Beziehung“ befanden und veröffentlichte ein Foto davon auf Instagram.
Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erklärte die auf Instagram als „Feministin und Pfarrerin“ auftretende Theologin, dass man sofort sehen konnte, dass „ganz viel Liebe zwischen ihnen war“. Die vier Männer hätten sich zum Teil schon länger gekannt, in der polyamoren Konstellation seien sie in diesem Jahr zusammen gekommen.
Trauschein des staatlichen Standesamts ist Voraussetzung
Ins Kirchenbuch eintragen konnte man die Trauung allerdings nicht: Denn für eine kirchliche Hochzeit ist in der evangelischen Kirche ein Trauschein des staatlichen Standesamts Voraussetzung. Der Gottesdienst ist dann formal. Diese Regel gilt selbst dann, wenn es um Rentnerpaare geht, die seit Jahren zusammenleben, aber aus Sorge um die Rentenzahlungen keine Ehe eingehen wollen. „Aber ich bin auf jeden Fall davon überzeugt, dass sie vor Gott wirklich geheiratet haben“, erklärte Müller.
Landesbischof Christian Stäblein ist das offenkundig nicht. Deutlich distanzierte sich der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Freitag von dem Vorgang. „Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz traut nur Paare, die standesamtlich verheiratet wurden“, sagte Stäblein. Die von Medien erhobenen Vorwürfe von Polygamie in diesem Kontext seien deswegen „gegenstands- und haltlos“.
Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz halte fest, dass Trauungen und Hochzeiten Formen sind, die zwei Menschen vor Gott segneten. Diese Segenshandlung, die durch Pfarrerinnen und Pfarrer geleitet werde, stelle eine kirchenrechtlich wirksame, beurkundete Verbindung zweier Menschen dar.
Auch die theologische Leiterin der Kirchenverwaltung, Pröpstin Christina-Maria Bammel, betonte: „Evangelische Trauungen segnen die Ehe zweier liebender Menschen.“ Damit stünden Pfarrerinnen und Pfarrer auf der Grundlage von Schrift und Bekenntnis.
Was die von Müller gesegneten Männer von dem Vorgang halten? Das ist bis heute nicht bekannt. Denn der Vorgang bei dem Hochzeitsfestival war so spontan, dass die Pfarrerin heute nach eigenen Angaben nicht einmal die Namen der Menschen kennt, die sie dort gesegnet hat.
Die Landeskirche nahm die Pfarrerin aber auch in Schutz. Sie sei in den vergangenen Tagen in sozialen Netzwerken massiv angefeindet worden, teilte die Landeskirche mit. „Wir sind entsetzt über den Hass, der ihr entgegenschlägt. Wir stehen an ihrer Seite und verurteilen diese Angriffe aufs Schärfste. Wir stehen an der Seite derer, die Anfeindungen erleben.“
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