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Dass SPD-Fraktionschef Raed Saleh mit seiner Rede am Donnerstag Reaktionen provozieren würde, muss ihm schon im Vorfeld klar gewesen sein.

© dpa/ Jörg Carstensen

Kritische Rede zu Rot-Rot-Grün in Berlin: Linke und Grüne ärgern sich über SPD-Fraktionschef Saleh

Linke und Grüne in Berlin sind sauer über die Rede des SPD-Fraktionschefs, auch im Roten Rathaus grummelt es. Aber Raed Saleh verweist auf Zuspruch von Fraktion, Partei und Bürgern.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Linke und Grüne sind verärgert, weil der SPD-Fraktionschef Raed Saleh am Donnerstag im Parlament eine bessere Videoüberwachung gefordert hat und eine Rede zur inneren Sicherheit hielt, die teilweise den Beifall von CDU und AfD fand. „Ich bin einigermaßen erschüttert“, sagte der Linken-Fraktionschef Udo Wolf dem Tagesspiegel. Saleh habe sich damit von den Verabredungen in der Koalition „vollständig gelöst“. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe sei so nicht möglich, verkündete Wolf.

Auch die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek ist „etwas irritiert“. Zumal der SPD-Fraktionschef in der Senatsklausur am Montag „nicht zu erkennen gab, dass er den Beschluss zum Sicherheitspaket nicht mitträgt“. Das werde intern zu besprechen sein. Anfang nächster Woche treffen sich die Vorsitzenden der drei Regierungsfraktionen, um über die weitere „strategische Zusammenarbeit“ zu beraten. „Wir werden uns schon zusammenraufen“, sagte Wolf an. Es müsse aber geklärt werden, ob die Betonung künftig auf der Zusammenarbeit oder auf dem miteinander Raufen liege. „Ich kann beides“, drohte der Linken-Fraktionschef.

Im SPD-Landesverband erhielt Saleh breite Unterstützung

In der eigenen Fraktion, im SPD-Landesverband und in der Wählerschaft fand die Rede Salehs, die mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller nicht abgesprochen war, dagegen breite Unterstützung. Der Innen- und Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier, sprach von einer „großartigen Rede“, die bei den sozialdemokratischen Abgeordneten mehrheitlich gut angekommen sei. Alle seien dankbar, „dass in der SPD mal jemand so über die innere Sicherheit spricht, wie das normale Volk darüber denkt“. Es gehe darum, in Sachen Kriminalität und Terror die Realitäten anzuerkennen. „Und wenn sich der Rauch gelegt hat, werden wir mit den Koalitionspartnern ruhig und sachlich auch über das Thema Videoüberwachung noch einmal sprechen“, sagte Kohlmeier.

Der Abgeordnete aus Marzahn-Hellersdorf zählt zur SPD-Linken. Aber auch der Parteirechte und Vize-Fraktionschef Jörg Stroedter fand Salehs Rede gut. In der Bevölkerung gebe es ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. „Der Fraktionschef hat Themen angesprochen, die die normalen Leute sehr beschäftigen.“ Er kenne keinen SPD-Abgeordneten, der die Saleh-Rede grundsätzlich kritisiere. Am Montag wird sich der SPD-Landesvorstand, der sich zum ersten Mal in diesem Jahr trifft, mit dem Sicherheitspaket befassen, das der Senat beschloss. Darin wird eine stationäre Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ausgeschlossen.

Müller wurde von Salehs Rede überrascht

Salehs Rede werde in diesem Zusammenhang auch diskutiert, hieß es am Freitag. Der Fraktionschef hatte im Parlament kritisiert, dass eine Videoüberwachung kriminalitätsbelasteter Plätze auch künftig nicht erlaubt sein soll, obwohl sie beispielsweise in Bahnhöfen erfolgreich praktiziert werde. „Das passt nicht zusammen.“ Der SPD-Mann forderte außerdem einen „starken Staat“, der die innere und soziale Sicherheit seiner Bürger garantiere und notfalls „mit der vollen Härte des Gesetzes durchgreift“. Besser heute als morgen müssten „Terror-Vereine“ verboten werden.

Der Regierende Bürgermeister Müller wurde von Salehs Rede überrascht. „Wir sind alle daran interessiert, nach einem leider holprigen Start das gute Regieren miteinander zu üben“, sagte seine Sprecherin Claudia Sünder. Dazu gehöre, dass man sich nach einer Verständigung über ein Thema auch an die Beschlüsse halte und „auf Solotänze“ verzichte. Der Kommunikationsreferent von Müller im Roten Rathaus, Robert Drewnicki, äußerte sich auf Facebook. „Und wieder fällt sie mir ein, die gute alte Liedzeile: Feste Jungs, macht nur weiter so, ihr bekommt schon alles kaputt. Jetzt aber bitte keinen Applaus von rechtsaußen.“ Damit spielte Drewnicki darauf an, dass Saleh Beifall von CDU und AfD bekam.

Saleh mit viel Zuspruch auf Wählerseite

Inzwischen erreichten den Fraktionschef zahlreiche Mails und Anrufe aus dem gesamten Bundesgebiet. So bedankte sich der SPD-Vorsitzende einer Gemeinde in Rheinhessen „für die klaren Worte“. Es sei nötig, beim Thema innere Sicherheit wieder zu einer freien Diskussionskultur zu finden anstatt „in einem Konsensbrei zu verkümmern“. Eine Genossin bedankte sich bei Saleh, „dass Du so elegant die Gelegenheit ergriffen hast, auszusprechen, was so viele bewegt“. Er habe „die Emotionen der Berliner getroffen“ und ihnen Mut gemacht, lobte ein SPD-Mann, der seit 36 Jahren Mitglied ist.

Ein ehemaliger Sozialdemokrat schrieb: „Unter Umständen sind Sie dafür verantwortlich, dass ich wieder eintrete“. Mit Saleh bekäme die SPD „wieder ihre Seele zurück“, schrieb ein enttäuschter Wähler. „Ich hoffe, Sie sind stark genug, weiterhin klaren Kurs vorzugeben“, sagte ein anderer.

Warum diese Rede, mit der Saleh den Senat einschließlich des Berliner Regierungschefs Müller düpierte und Linke und Grüne gegen sich aufbrachte? Er wolle glaubwürdig bleiben und seine politische Linie, die er seit Jahren verfolge, nicht verlassen, sagen Vertraute. Es ist inzwischen zu Salehs Markenzeichen geworden, den Kurs der eigenen Partei als bürgerfern zu kritisieren, eine aktive Integrationspolitik einzufordern und vor der sozialen Spaltung Deutschlands, aber auch Berlins zu warnen.

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