
© dpa/Paul Zinken
Live-Blog zur Rigaer Straße: In der Nacht wurde friedlich gefeiert
Anwohner feiern den Abzug der Polizei. Derweil wird die Kritik an Innensenator Henkel lauter. Die Ereignisse im Live-Blog.
- Ulrich Zawatka-Gerlach
- Fatina Keilani
- Timo Kather
- Robert Ide
- Christian Vooren
- Wiebke Fröhlich
Stand:
Ein Gerichtsbeschluss hat am Mittwoch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) in Erklärungsnot gebracht. Laut Landgericht ist zweifelhaft, ob die Räumung eines linken Projekts mit der Hilfe von mehreren hundert Polizisten in Friedrichshain rechtens war. Welche politischen Folgen hat diese Entscheidung für den CDU-Spitzenkandidaten im Wahlkampf? Wie erklärt das Gericht sein Urteil und wie geht es juristisch weiter? Und wie ist die Lage an der Rigaer Straße? Lesen Sie alle Ereignisse auch am heutigen Donnerstag im Live-Blog.
SPD beharrt auf Akteneinsicht zum Polizeieinsatz
Anwohner feiern friedlich
Der Abend auf der Rigaer Straße verlief friedlich, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Die Anwohner feiern in der Kadterschmiede und im Hof die Ereignisse des Tages. "Da haben wir keinen Einblick", so die Beamten.
Wir schließen den Live-Blog und sind gespannt wie es weitergeht.
Benedikt Lux: Warum war Henkel nicht im Roten Rathaus?
Der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux hat Frank Henkel (CDU) kritisiert. "Als Innensenator trägt er die Verantwortung und muss erklären, auf welche Rechtsgrundlage er das Vorgehen der Polizei stützt", sagte Lux am Donnerstagabend dem Tagesspiegel.
Statt Henkel selbst, hat sich heute sein Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) im Roten Rathaus mit dem Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD) sowie Polizeipräsident Klaus Kandt getroffen. Die Senatskanzlei wollte insbesondere wissen, auf welcher Rechtsgrundlage die Teilräumung und der begleitende Polizeieinsatz erfolgte.
Der Grüne Benedikt Lux sagte, es sei fraglich, warum Henkel nicht persönlich an dem Spitzengespräch teilgenommen hat: "Henkel hat selbst gesagt, er habe nichts zu verbergen". Dass Henkel sich wegducke zeuge erneut davon, dass er seiner Aufgabe als Innensenator nicht gewachsen ist.
Die Opposition verlangt Aufklärung und will bis Freitag eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragen. Mittlerweile hat auch die CDU angekündigt, einem solchen Treffen nicht im Wege stehen zu wollen.
"Wir begrüßen, dass auch die CDU gesprächsbedarf hat", sagte Lux. Von Henkel erwarte er eine Erklärung, wie und warum in einem absoluten Ausnahmefall ohne Räumungstitel und ohne rechtliche Grundlage die Polizei eingesetzt wurde. Insbesondere sei interessant, "wo sonst noch ohne Titel unter massigem Polizeieinsatz Häuser geräumt werden".
Wie geht es juristisch weiter?
Die „Freunde der Kadterschmiede“ haben ihre Räume wieder. Die Frage ist aber, für wie lange. Denn der neue Anwalt des Hauseigentümers hat gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt.
„Der Einspruch führt dazu, dass das Verfahren in den Stand zurückversetzt wird, den es vor der Säumnis hatte“, sagte Antje Klamt, Vertreterin der Pressesprecherin des Kammergerichts. Das bedeutet, die ganze Verhandlung wird noch einmal wiederholt. Nächster Schritt ist die Anberaumung eines neuen Termins, der dann erneut vor Richterin Nicola Herbst stattfindet, die auch am Mittwoch über die Sache entschieden hatte. Wie schnell das geht, konnte das Gericht nicht sagen.
Fatina Keilani erklärt, was das Ganze juristisch bedeutet.
CDU will Sondersitzung des Innenausschusses
Die CDU-Fraktion Berlin will einer Sondersitzung des Innenausschusses nicht im Wege stehen. Das sagte der Innenpolitische Sprecher, Robbin Juhnke, am Donnerstagnachmittag. "Wir haben großen Bedarf im Innenausschuss die Krawalle der letzten Tage zu thematisieren und ein deutliches Bekenntnis der übrigen Fraktionen zur Ächtung von linksextremistischer Gewalt einzufordern.“
Aufräumen, dann feiern
"Drei Wochen Ausnahmzustand haben ein Ende"
Zwei maskierte Vertreter des Vereins "Freunde der Kadterschmiede" haben vor der versammelten Presse und den Anwohnern eine Erklärung verlesen:
"Drei Wochen Ausnahmzustand haben ein Ende. Der Einbruch der Polizei erfolgte ohne Rechtsgrundlage, das war uns von vornherein klar."
Der Angriff auf die Idee einer staastfeindlichen Nachbarschaft sei gescheitert. Die Truppen des "rechten Hetzers Henkeln haben keine Antwort auf das Tag-X-Programm gefunden". Damit spielten sie auf die Strategie linksextremistischer Gewalttäter an, dezentral in der ganzen Stadt Brandanschläge zu verüben.
"Es erfüllt uns mit großer Genugtuung, dass die Räumung vom Landgericht als illegal bewertet wurde", sagten die Sprecher.
"Die Türen sind geöffnet"
Schlüsseldienst und Gerichtsvollzieherin vor Ort
Der Schlüsseldienst und die Gerichtsvollzieherin sind an der Arbeit. Das sagte die Grünen-Politikerin Canan Bayram dem Tagesspiegel.
Die Polizei hat bereits die ersten Absperrgitter aus dem Hof des Hauses in der Rigaer Straße 94 getragen - begleitet vom Jubel der Anwohner. Daraufhin begannen einige der Anwesenden selbst die Absperrgitter vor dem Haus von der Straße zu tragen. Sie wurden allerdings von der Polizei gestoppt und mussten die Gitter wieder aufstellen.
Die Gerichtsvollzieherin ist eingetroffen
Jusos fordern Henkels Rücktritt
Die Landeschefin der Berliner Jungsozialisten, Annika Klose, fordert den Innensenator Frank Henkel (CDU) "zum sofortigen Rücktritt" auf. Die aktuelle Konfliktlage in der Rigaer Straße sei durch Henkels Vorgehen maßgeblich angeheizt worden. "Er hat schwere Fehler begangen und zeigt sich nun völlig uneinsichtig" sagte Klose. In die Innenverwaltung des Senats müsse "umgehend wieder Recht und Ordnung einkehren". Es könne nicht sein, dass Menschen in Berlin Angst vor der illegalen Räumung ihrer Wohnung durch den Innensenator haben müssten.
CDU-Fraktion fordert "Konsens gegen Linksextremismus"
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Florian Graf, hat im Namen seiner Fraktion einen "Berliner Konsens gegen Linksextremismus" gefordert. "Kaum eine Nacht vergeht, in der keine Autos brennen", beklagt Graf. Das Büro seines Parteikollegen Kurt Wansner sei bereits drei Mal mit linken Parolen beschmiert worden. Über die Zustände in Berlin sei die Fraktion deshalb "in höchstem Maße besorgt".
Daher sei es notwendig, einen solche Konsens zu finden. Darin heißt es unter anderem: "Seit längerem wird in den bekannten Gegenden der linksextremen Szene, wie beispielsweise rund um die Rigaer Straße, Verachtung und Hass gegen unsere grundgesetzliche Ordnung und die sie beschützenden Polizeikräfte gesät." Man dürfe nicht zulassen, "dass Berlin als offene, vielfältige und tolerante Stadt darunter leidet, dass eine gewalttätige Minderheit Unsicherheit verbreitet."
Graf hatte einen Vorschlag für das Papier an die anderen Fraktionen geschickt, der sich im Wortlaut weitgehend an das Papier zum "Konsens gegen Rechtsextremismus" orientiere. Auf den hatten sich alle Fraktionen im Juni geeinigt. "Dehalb haben wir nun die Hoffnung, dass so ein Konsens auch gegen Linksextremismus möglich sein wird", sagte Thorsten Schatz, Pressesprecher der Fraktion.
Er habe die Hoffnung, "dass sich auch andere Fraktionen dazu äußern, wie sie zum Beispiel zu den 123 verletzten Polizisten vom letzten Wochenende stehen." Das habe beispielsweise die Grünen-Fraktion bisher nur halbherzig getan. Um mit allen Beteiligten darüber zu sprechen, hat Graf die Fraktionschefs für den 20. Juli ins Abgeordnetenhaus eingeladen, bevor an diesem Tag eine Gedenkveranstaltung für den 72. Jahrestag des Stauffenberg-Attentats stattfindet.
Gerichtsvollzieherin ist auf dem Weg
Brennende Autos in Kassel als "Zeichen der Solidarität"
In Kassel haben Anarchisten offenbar aus Solidarität mit den Bewohnern der Rigaer Straße zwei Autos angezündet. Sie sollen für den Brand eines Mercedes und eines BMWs in der vergangenen Woche in der Kasseler Südstadt und in Wehlheiden verantwortlich sein.
Ein entsprechendes Bekennerschreiben wurde am späten Dienstagabend unter dem Pseudonym Anarchist auf der Internetseite linksunten.indymedia.org veröffentlicht. Hintergrund der Brandanschläge in Kassel sind demnach die massiven Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und der Hausbesetzerszene in der Rigaer Straße 94 in Berlin, berichtet die Hessische/Niedersächsische Allgemeine.
Auf der Seite heißt es: „Seit Wochen wird die Rigaer 94 durch Polizisten drangsaliert. Auch in Kassel wird Solidarität gezeigt: In der Nacht zum Montag, 5.7.2016, wurden sowohl in der Südstadt als auch im Vorderen Westen zwei Luxuswagen angezündet.“
Neues Schild an der Tür der Kadterschmiede
Laut einem Tweet der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram sind in der Rigaer Straße 94 keine Bauarbeiter mehr zu sehen. Auch die Einlasskontrollen sollen nicht mehr stattfinden, obwohl der Wachschutz und die Polizei weiterhin vor Ort sind. Stattdessen sei an der Tür der Kadterschmiede ein Zettel mit einem Firmennamen aufgetaucht, schreibt Bayram. "Die Polizei bewacht nur noch die Kadterschmiede selbst und das Schild", sagte die Politikerin dem Tagesspiegel.
Sie kenne den Namen auf dem Schild bislang nicht. Bayram vermutet einen Schachzug des Eigentümers. "Es sieht so aus, als würde der Eigentümer jetzt schnell jemanden anders in die Räume setzen wollen, bevor der Gerichtsvollzieher auftaucht", sagte Bayram dem Tagesspiegel. Die Lage sei an "Verzwicktheit kaum zu überbieten."
"Freunde der Kadterschmiede" blockieren Bauarbeiten
Wie das Szeneportal Indymedia berichtet, sitzen "Freunde der Kadterschmiede im Namen des Vereins" seit dem frühen Morgen "vor den Bautüren zur alten Kadterschmiede und zur Wohnung im Hinterhaus, wo die Werkstatt und der Waschraum waren". Sie verweigerten den Bauarbeitern den Zutritt.

Innenausschuss tagt erst in den Ferien
Die von der Grünen-Fraktion geforderte Sondersitzung des Innenausschusses wird voraussichtlich erst in den Sommerferien stattfinden. Man sei gerade dabei, den Vorgang vorzubereiten, das brauche aber ein wenig Zeit, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, auf Nachfrage. Das Ziel des Ausschusses sei aber klar: "Wir müssen Klarheit über die Frage bekommen, ob der Innensenator rechtswidrig räumen ließ und welche Folgen sich daraus ergeben." Linke- und Piraten-Fraktion tragen den Antrag mit.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: