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Wahlkampf: Lucy Redler: Die verhinderte Linke

Lucy Redler, früher WASG-Frontfrau, macht heute Wahlkampf für die Partei, die sie nicht haben wollte.

Der Marxismus hält frisch. Das muss man denken, wenn man Lucy Redler beim Wahlkampf zusieht. Kein Fältchen ist dazugekommen, seit Redler vor drei Jahren als Berliner Spitzendkandidatin der WASG eine Menge Aufsehen erregte. Jetzt macht sie wieder Wahlkampf, und zwar für „Solid“, den Jugendverband der Linken – und das, obwohl sie allen Grund hätte, mit der Fusionspartei aus PDS und Hartz-IV-Gegnern und vor allem mit ihren Supermännern Gregor Gysi und Oskar Lafontaine zu hadern.

Die „Wahlalternative für soziale Gerechtigkeit“ ging in der Partei „Die Linke“ auf, doch Redler musste draußen bleiben. Im Januar 2009 erklärte eine Schiedskommission der Linken, dass Lucy Redler nicht Mitglied der Partei werden dürfe. Es sei zu erwarten, dass sie demokratisch gefasste Beschlüsse zum Beispiel von Parteitagen nicht akzeptieren werde.

Doch die 30 Jahre alte Politikerin hat einen langen Atem. Die Überwindung des Kapitalismus wird wohl noch etwas dauern, davon geht sie aus. So dient der Wahlkampf mit den alten WASG-Genossen in Neukölln der Vorbereitung auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Davon sprach Redler zukunftsgewiss bei einem Streitgespräch mit zwei Jung-Politikern der Piratenpartei namens Lena und Christian am Dienstagabend. Die Kurzarbeiterregelungen würden auslaufen, die Arbeitslosigkeit werde sprunghaft ansteigen, während der Staat die Sozialleistungen kürze. Und dann seien „Massenmobilisierungen“ durchzuführen.

Es klingt ein wenig nach spätem Kaiserreich oder der untergehenden Weimarer Republik, was Redler da heraufbeschwört. Anders als die Jung-Piraten, die zur Beschreibung ihres Linksseins noch auf das Wort „irgendwie“ angewiesen sind, hat die Sozialistin eine klare Vorstellung von geschichtlichen Abläufen – auch von denen in der Zukunft. In den vergangenen drei Jahren hat sie allerdings sehen müssen, dass sogar lebhafte Protestbewegungen wie die gegen die Hartz-Gesetze schwächeln, wenn es den Leuten besser geht und die Arbeitslosigkeit sinkt. Und jetzt, in der Zeit der Banken- und der Finanzmarktkrise, da boomt die Piratenpartei, während die Linke nicht wirklich zulegt. Wie kommt das? Lucy Redler vermutet, dass es auch mit der Offenheit der Piratenpartei zu tun hat. „Kritik am Kapitalismus haben heute ja irgendwie alle“, scherzt sie im Streitgespräch mit den Jung-Piraten Lena und Christian. Und erinnert mit freundlichem Lächeln, doch sehr festem Blick daran, wer die radikalsten Pläne zum Umgang mit der Finanzkrise hat: Nur die Linke wolle Banken ganz einfach verstaatlichen. Anders als viele Anhänger des Protests gegen Internet-Zensur und Überwachung glaubt Redler auch nicht, dass die Zeit der „Ismen“ vom Marx- bis zum Trotzkismus vorbei ist, ganz im Gegenteil. Deshalb will sie nach der Bundestagswahl versuchen, doch noch Mitglied der Linken zu werden. Werner van Bebber

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