zum Hauptinhalt

Berlin: Ludwig Engelhardt, geb. 1924

Die Worte, die über ihn gesagt und geschrieben werden, ähneln sich: Ein aufrechter und lauterer Mann sei er gewesen, ein leiser Mensch, ohne Pathos im Reden und Tun. Und genau dieses Unpathetische ist Merkmal des wichtigsten Werkes von Ludwig Engelhardt - seines einzig wirklich bekannten Werkes.

Die Worte, die über ihn gesagt und geschrieben werden, ähneln sich: Ein aufrechter und lauterer Mann sei er gewesen, ein leiser Mensch, ohne Pathos im Reden und Tun. Und genau dieses Unpathetische ist Merkmal des wichtigsten Werkes von Ludwig Engelhardt - seines einzig wirklich bekannten Werkes. Es steht seit 15 Jahren mitten in der Stadt, wurde von Erich Honecker auf einer Kundgebung mit 50 000 Menschen eingeweiht und als "würdige Ehrung für die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus" gepriesen. Es musste einigen Spott über sich ergehen lassen - und ist dennoch (oder gerade deshalb) immer wieder Fotomotiv für Berlin-Touristen.

Die Menschen, die sich vor dem Marx-Engels-Denkmal gleich neben dem Palast der Republik ablichten lassen, zeigen mal ernste, mal belustigte Mienen, je nach ihrer Herkunft und Haltung zu den beiden Herrn, die da zu Bronze erstarrt sind: Marx sitzt mit kerzengeradem Rücken, Engels steht daneben. "Sacco und Jacketti" lästerten die Leute, witzelten vom "Nahverkehrsdenkmal" (Einer steht immer) oder legten Engels in den Mund: "Wenn ich dir sage, was das gekostet hat, setzte dich hin". Marx und Engels zu ebener Erde zum Anfassen und Draufsetzen.

Konnte das gut gehen? So archaisch, ganz ohne Heldenpose? "Damit verärgerte er Honecker und die Seinen so sehr, dass es nicht zu einer ernsthaften kunstkritischen Diskussion des Ergebnisses kam. Sie wurde administrativ verhindert", schreibt der Kunstwissenschaftler Peter H. Feist dieser Tage im "Neuen Deutschland". Trotzdem bekam Ludwig Engelhardt damals den Nationalpreis 1. Klasse. "Da hätte auch Käse stehen können, Marx und Engels hätten immer die 1. Klasse gekriegt", sagte Engelhardt viel, viel später, nachdem 1993 das gesamte Ensemble des Marx-Engels-Forums, dieser beschaulichen Grünanlage zwischen Spree und Fernsehturm, auf die Denkmalliste des Berliner Senats gesetzt worden war - so konnte diese Spur der DDR nicht, wie ursprünglich geplant, mit dem Bulldozer beseitigt werden.

Engelhardt, 1924 im thüringischen Saalfeld geboren, hatte nach der Möbeltischler-Lehre die Bildhauerei an der Kunsthochschule Weißensee bei Heinrich Drake gelernt. Er war Meisterschüler und seit 1969 Mitglied der Akademie der Künste der DDR, ab 1974 für vier Jahre Sekretär der Sektion Bildende Kunst. Ludwig Engelhardt stand gewissermaßen "zwischen den Generationen", zwischen den älteren und den ganz jungen Künstlern.

Er modellierte zahlreiche Porträts; in der Nationalgalerie steht das des Genossenschaftsbauern Willi Schäfer von 1964, außerdem eine Figurengruppe für das Gedenken im KZ Auschwitz und die Kleinplastik "Am Strand". Als wichtiges Werk bezeichnet der Kustos der Neuen Nationalgalerie, Fritz Jacobi, die Plastik "Lesender Arbeiter", eine sitzende Figur, mit einfachen, voluminösen Formen - "eine Hinwendung zum Archaischen, aber auch eine Form, den einfachen Menschen zu gestalten". Diese Plastik wird lebendig, wenn man um sie herum geht.

Der Bildhauer Fritz Cremer war es, der Engelhardt als Leiter jener Gruppe von Künstlern vorschlug, die 1973 mit der Aufgabe betraut wurde, die Säulenheiligen des Sozialismus im Herzen Berlins zu ehren. Ohne Säulen, aber doch irgendwie monumental.

Das merkwürdige Denkmal bleibt stehen, sein Schöpfer ist jetzt, zurückgezogen, krank und verbittert, in seinem Arbeitsort auf Usedom gestorben.

Lo.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false