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Berlin: Mach auch mal langsam

Nachdenken über die Zeit in der Emmaus-Kirche in Kreuzberg

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Krabbelgruppe, Trommeln, Fastengruppe, Yoga für Teenies, Malen für Kinder, Busausflug für Senioren – und dazu Weltladen, Café, Raum der Stille und jede Menge Musik. Das sind nur ein paar Splitter aus dem kunterbunten Monatskalender der evangelischen Emmaus-Kirche am Lausitzer Platz. Außer Kirche ist sie auch lebendiges Stadteilzentrum. Draußen wuchtige Backsteingotik, innen moderne Mehrzweckräume und ein weiter, lichter Kirchensaal.

Zehn Minuten vor dem Gottesdienst tröpfeln die Leute ins Foyer. „Wegen Überfüllung geschlossen“, kommentiert eine Dame bitter die ausbleibenden Menschenmassen. Der alte Herr am Infotisch nimmt’s gelassen. Hier kämen immer erst alle auf den letzten Pfiff, „wie an der Uni“. Rund 50 Kirchgänger sitzen schließlich im Halbkreis beieinander. Ein rosa Schmetterling ist auch dabei. Das kleine Mädchen mit den Chiffon-Flügeln flattert dann hinaus zum Kindergottesdienst.

Die Zeit sei heute das Thema, sagt Pfarrer Jörg Machel. Damit meint er nicht die Sommerzeit, sondern „dass wir oft drohten, im Effizienzgedanken zu versinken“. Der seit 20 Jahren hier tätige Mann ist ein frohgemuter Duzer, der zusammen mit einer gewissen Katrin diverse Fabeln und Balladen zum Thema Zeit vorliest. Die Predigt hält er über das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat aus dem Markus-Evangelium. Der Sämann bringt die Körner zwar aus und erntet den Weizen, aber das Wachstum selbst kann er nicht beeinflussen. Blinder Aktionismus und Zeit-ist-Geld-Denken machten nicht glücklich, sagt der Pfarrer. „Unser Tun muss sich in den Plan der Natur und den Plan Gottes einfügen.“ Sonst brenne der Menschen aus und richte Katastrophen in der Welt an.

Die Verbindung von Zeit und Leistung werde schon den Kindern eingetrichtert. Dagegen könnten Abwarten und Geduldhaben durchaus eine Tugend sein. „Aktivsein gehört zum Menschsein dazu“, meint Jörg Machel, aber Grenzen seien dabei überlebenswichtig. Er empfiehlt den Gottesdienstbesuchern, ihre Zeit für die Gestaltung der Welt und im Leben so einzuteilen: „Erst etwas tun, den Boden bereiten und dann abwarten, dass es sich entwickeln kann.“

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