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Lageso-Außenstelle in der Bundesallee, neue Anlaufstelle für Flüchtlinge in Berlin.

© dpa

Kiez an der Bundesallee in Berlin: Makler: Verkaufen Sie Ihre Wohnung wegen der Anlaufstelle für Flüchtlinge

Ein Berliner Makler, auch sonst kein Unbekannter, rät zum Wohnungsverkauf wegen der neuen Anlaufstelle für Flüchtlinge - und bekommt eine deutliche Antwort.

Von Markus Hesselmann

Die Anrede kam gewunden daher: "Sehr geehrte Eigentümer einer Eigentumswohnung in der Nähe des alten Sparkassengebäudes in der Bundesallee 171", schreibt Uwe Fenner, der sich im weiteren als "Assessor jur. Partner" vorstellt und in der Öffentlichkeit durchaus auch aus anderen Zusammenhängen bekannt ist, zum Beispiel als Autor, und auch politisch bei der Alfa-Partei in Erscheinung trat. Er vertrete die Firma "Stadt & Raum Immobilien" und rate dringend zum Wohnungsverkauf. "Denn was wird Ihre schöne Wohnung in einem halben Jahr noch wert sein? Wie Sie vielleicht wissen, wird die alte Berliner Sparkasse die neue 'Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber'."

Man wolle "hier keinen einzigen Flüchtling diskriminieren", heißt es weiter in dem Schreiben, "aber die Nachricht von Gewalttaten in Flüchtlingslagern, von Einbrüchen, Diebstählen und einfach der Nachbarschaft mit vielen, vielen insbesondere jungen Männern, die nichts zu tun haben, weil unsere Behörden so langsam sind, diese Nachrichten gehen jeden Tag durch die Presse". Als "neutrale Beobachter des Marktes" wüssten Makler, "dass sich Wohnungspreise in der Nachbarschaft solcher Großeinrichtungen im Nu halbieren". Deshalb rate er: "Verkaufen Sie JETZT und zwar sofort." Man habe noch Kunden, die jetzt noch den vollen Preis bezahlten.

"Wenn irgendwo ein Fußballstadion gebaut wird, würde ich genauso schreiben", sagt Uwe Fenner auf Nachfrage. An 150 Adressen habe er in dem Fall geschrieben. Einige Wohnungen würden in der Tat bereits angeboten. Mehr will er nicht sagen und stellt eine schriftliche Erklärung in Aussicht.

Adressaten des Briefs sind entsetzt. Zum Beispiel Christine von Arnim aus dem Jenaer Kiez. Sie schrieb an Fenner: "Heute bekam ich Ihren Brief. Sie empfehlen den Bewohnern unserer Straße allen Ernstes, schleunigst ihre Wohnung zu verkaufen, weil in der Bundesallee 171 eine Anlaufstelle für Flüchtlinge eingerichtet und dadurch der Wert der Wohnungen beträchtlich sinken wird." Das sei ein Skandal. "Wie können Sie nur so schamlos aus dem Elend der Flüchtlinge ein Geschäft machen? So etwas nennt man immer noch verächtlich 'Kriegsgewinnler'. Zum Glück leben im Jenaer Kiez kluge, aufgeklärte Demokraten, die auf Ihren gefährlichen Unsinn nicht reagieren werden."

Der Makler bittet um Entschuldigung

Etwas später, nachdem Adressaten des Briefs empört reagiert und Journalisten ihn wegen einer Stellungnahme zu dem Brief kontaktiert haben, entschuldigt sich Uwe Fenner schriftlich und öffentlich: "Liebe Kunden und Freunde von Stadt & Raum, für meine Firma Stadt & Raum Immobilien habe ich einen Brief in einer Auflage von 150 Exemplaren in der Gegend um die neue Zentralstelle für Asylsuchende in der Bundesallee verteilen lassen, der einige Missverständnisse ausgelöst hat. Ich bitte höflich und herzlich um Entschuldigung, wenn ich in diesem Schreiben die Gefühle für Anstand und Unterstützung und Erbarmen für die Flüchtlinge verletzt habe. Das tut mir leid.

Ums gleich zu sagen: Ich bin für eine vernünftige, an den Regeln des Grundgesetzes und der Genfer Flüchtlingskonvention klar orientierten Unterstützung der Flüchtlinge. Schließlich bin ich ja selber einer! Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir es als Tatsache hinnehmen müssen, dass Immobilien, die sich in der Nähe von Einrichtungen befinden, in welcher täglich mindestens 1000 Menschen - egal, ob US-Bürger, Deutsche oder eben Flüchtlinge - gedemütigt werden, um nach zermürbender Wartezeit ihren Antrag auf Asyl endlich stellen zu dürfen, über welchen dann in sieben Monaten (nicht etwa, was in der Schweiz geht, innert 48 Stunden - jedenfalls bei Bürgern aus Balkanstaaten) entschieden wird! DAS ist doch der eigentliche Skandal; denn diese unerhörte, amtsschimmelhaft-gemeine Praxis ist veränderbar. Das zeigen andere Länder. Die Tatsachen, von denen ich gesprochen habe, sind es nicht. Trotzdem bedauere ich sehr, diesen Brief überhaupt geschrieben zu haben, und bitte alle, die sich verletzt fühlen, um Entschuldigung."

Mehr Hintergründe und Reaktionen zu dem Maklerbrief lesen Sie bei meinem Kollegen Cay Dobberke auf der Kudamm-Kiezseite des Tagesspiegels. Ein weiteres Update zum inzwischen erfolgten Austritt Uwe Fenners aus der Alfa-Partei finden Sie hier.

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