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Das Mauermuseum ist ein Publikumsrenner.

© Thilo Rückeis

Mauermuseum in Finanznot: Hinterm eisernen Vorhang

Museumschefin Alexandra Hildebrandt führt das Haus am Checkpoint Charlie als Alleinherrscherin – und hat sich schwer verspekuliert. Wegen eines geplatzten Immobiliendeals muss das Museum Schadensersatz in Millionenhöhe leisten. Jetzt soll die Politik helfen.

In der Kassenschlange kommt Unmut auf. „Sorry, technischer Defekt. Nur Barzahlung möglich.“ Der Kassierer schwitzt, die Luft ist knapp, eine Hostess dirigiert ein buntes Gemisch an Touristen, die sich durch zwei Drehkreuze hineinquetschen. Rund eine Million Besucher werden hier im Jahr gezählt. Das Haus am Checkpoint Charlie ist fast so populär wie das Pergamonmuseum, ein Hotspot des internationalen Mauertourismus. Und kein Besucher ahnt, dass das Museum auf einen finanziellen Abgrund zusteuert.

Dass keine EC- und Kreditkarten angenommen werden, könnte auch diesen Grund haben: Die Konten des Mauermuseums, beziehungsweise des Trägervereins Arbeitsgemeinschaft 13. August, sind gesperrt. Die FMS Wertmanagement, ein staatliches Nachfolgeinstitut der Hypo Real Estate, betreibt die Zwangsvollstreckung einer Zinsforderung in Millionenhöhe. Das Museum ist den Kaufpreis für ein Immobiliengeschäft aus dem Jahr 2007 schuldig geblieben. Der Kaufvertrag wurde rückabgewickelt, doch die FMS-Bank verlangt nach Tagesspiegel-Informationen die üblichen Verzugszinsen, bis zu sechs Millionen Euro. Geschäftsführerin Alexandra Hildebrandt hat Klage gegen die Forderung eingereicht, das Berliner Landgericht hat den Klageantrag aber „mangels Erfolgsaussichten“ bereits zurückgewiesen.

Alexandra Hildebrandt ist die streitbare Chefin des Mauermuseums.
Alexandra Hildebrandt ist die streitbare Chefin des Mauermuseums.

© Kai-Uwe Heinrich

Das Museum ist 50 Jahre nach seiner Gründung erfolgreicher denn je. Der reguläre Eintritt von zwölf Euro beschert der Arbeitsgemeinschaft 13. August immense Einnahmen. „Das ist immer noch eine Goldgrube“, sagt ein früherer Steuerberater des Vereins. Wohin die Einnahmen fließen, ist allerdings ein streng gehütetes Geheimnis der Chefin. Alexandra Hildebrandt ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Ins Haus jedenfalls fließt kaum Geld, sagen frühere Mitarbeiter, auch nicht auf ihre Gehaltskonten. Viele sind auf 400-Euro-Basis teilzeitbeschäftigt. Anfang der Nullerjahre gab es verschiedene Gerichtsverfahren, weil Mitarbeiter entlassen wurden mit der Begründung, sie hätten in die Kasse gegriffen. Die Verfahren gingen zugunsten der Mitarbeiter aus. Museumschefin Hildebrandt ist extrem misstrauisch, sie wähnt überall Feinde, die das Lebenswerk ihres verstorbenen Gatten, Rainer Hildebrandt, zerstören wollen, besonders in der SPD und bei den Linken. Sie fühlt sich wie auf einer „Hexenverfolgung“, sagt ein langjähriger Vertrauter. Er habe ihr das immer wieder auszureden versucht, vergeblich.

2005 kündigte Hildebrandt an, die Museumsfläche zu verdoppeln. Dazu kaufte sie das Stammhaus an der Friedrichstraße, Ende 2007 dann das Eckhaus an der Zimmerstraße, in dem das Museum schon eine Etage belegte. Von den restlichen Mietparteien des sechsstöckigen Hauses sind nur noch zwei geblieben. Von einem „diktatorischen Stil“ der Besitzerin ist die Rede, davon, dass sie sich über alle hinwegsetzen würde.

Für das Eckhaus wurde ein Kaufpreis von 15,5 Millionen Euro vereinbart, eine horrende Summe, auch für diese exponierte Lage. Die Deutsche Bank sollte den Kauf finanzieren, bezifferte aber in einem eigenen Gutachten den Wert nur auf rund 60 Prozent des Kaufpreises. Damit war die Finanzierung geplatzt.

Die Probleme sind dem Senat schon länger bekannt.

Der Hauskauf war ein Harakiri-Unternehmen für das Museum, auch wenn die Finanzierung geklappt hätte, sagen Experten. Mit den Einnahmen des Museums könne man nicht zwei Immobilienkredite bedienen. Merkwürdig ist, dass niemand aus dem Vereinsvorstand oder der CDU Hildebrandt von ihrem Vorhaben abhalten konnte. Einer ihrer engsten Vertrauten, Daniel Dormann, Ex-CDU-Abgeordneter, führte immerhin jahrelang ein Immobilienunternehmen. Er ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Dormann ist auch „Quästor“, also Schatzmeister, der gemeinnützigen „Rainer-Hildebrandt-Stiftung“ mit Sitz in der Schweiz, die kurz vor dem Tod von Rainer Hildebrandt im Januar 2004 gegründet wurde. Damals hieß es, die Stiftung solle verhindern, dass das Vermögen des Vereins, also das Museum samt Inventar, an das Land Berlin fällt, sollte sich der Verein auflösen. Stiftungspräsidentin ist Alexandra Hildebrandt.

Die finanziellen Kalamitäten sind dem Senat seit längerem bekannt. Dem Vernehmen nach stundet die Finanzverwaltung dem Museum einen Teil der Grundsteuer. Es habe diverse Beratungsangebote gegeben, sagt der Gedenkstättenreferent in der Kulturverwaltung, Rainer Klemke. Doch Frau Hildebrandt ist – das deuten selbst wohlmeinende Beobachter an – ziemlich beratungsresistent. „Wir haben auch eine neue Trägerkonstruktion angeboten, eine Stiftung mit wissenschaftlichem Beirat“, sagt Klemke. Auch das sei abgelehnt worden. Alexandra Hildebrandt betrachtet das Museum als Vermächtnis ihres Mannes. Da dürfe nichts verändert werden. Klemke legt Wert auf die Feststellung, der Senat wolle das Mauermuseum unbedingt erhalten. Das am Checkpoint Charlie geplante Museum des Kalten Krieges sei keine Konkurrenz, eher eine notwendige Ergänzung.

Und was macht der Verein, die Arbeitsgemeinschaft 13. August? „Seit Jahren gibt es keine Mitgliederversammlungen mehr. Darauf hat auch keiner Wert gelegt“, sagt Vorstandsmitglied Hauke Jessen, inzwischen ein betagter Mann. Um die finanziellen Dinge kümmere sich der Steuerberater. Zu den übrigen Vorstandsmitgliedern habe er keinen Kontakt mehr. Ähnlich äußern sich die ehemaligen Fluchthelfer, alte Fahrensmänner von Rainer Hildebrandt. „Sie erfahren ja nichts“, sagt Rainer Schubert.

Trotz oder gerade wegen ihres hartnäckigen Auftretens hat Alexandra Hildebrandt gute politische Kontakte, „bis ganz nach oben“, sagt ein Kenner der Materie. CDU-Politiker aus Berlin und Brandenburg versuchen, auf die FMS-Bank einzuwirken. Die gehört schließlich dem Bund. Da müsste doch was zu machen sein. Auch im Kanzleramt war Frau Hildebrandts Finanzkrise schon Thema.

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