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Schwierige Lage: In Seniorenheimen sind Corona-Ausbrüche besonders gefährlich. (Symbolbild)

© Frank Molter/dpa

Update

Bislang zwölf Todesfälle: Mehr als 100 Corona-Infizierte in Pflegeheim in Berlin-Reinickendorf

In einem weiteren Heim kommt es zu einem Corona-Ausbruch. Angehörige machen der Leitung Vorwürfe, die Politik schweigt. Neue Fälle gibt es auch in Friedrichshain.

Berlins Pflegeheime bleiben weiter im Zentrum der Coronakrise. Nach Tagesspiegel-Informationen gibt es nun einen weiteren großen Ausbruch in einem Pflegeheim in Reinickendorf. Dabei handelt es sich um das Domicil-Pflegeheim an der Techowpromenade.

Ein Domicil-Sprecher bestätigte einen Ausbruch, der auf den 20. November zurückzuführen sei. Infolgedessen hätten sich bis Sonntag 80 Bewohner und 30 Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Zwölf Personen seien mit oder an dem Coronavirus gestorben.

"Dies war angesichts der stark zunehmenden Ausbreitung des Virus trotz umfangreicher Hygiene-, Besuchs- und Testkonzepte leider nicht zu verhindern", teilt der Sprecher auf Anfrage mit. Man gehe davon aus, dass das Virus von Besuchern in die Einrichtung getragen worden sei, sagte er und machte indirekt den Senat dafür verantwortlich, da dieser explizit Besuche gestattet hatte.

Die Lage ist offenbar weiter kritisch. Bewohner, bei denen die Erkrankung schwer verlaufe, würden in Krankenhäuser verlegt, teilt der Sprecher mit und ergänzte: "Sofern noch Aufnahmekapazitäten verfügbar sind."

Der Fall war nur bekannt geworden, weil sich ein Angehöriger eines Verstorbenen beim Tagesspiegel gemeldet hatte. Sein Schwiegervater sei topfit gewesen, habe keine Medikamente bekommen, doch rund zehn Tage nach seiner Infektion war er tot.

"Wir sind schockiert, dass es solche Zustände in einem Staat wie Deutschland geben kann", sagte der Mann, der anonym bleiben möchte. Er berichtet von Engpässen im Personal, das zwischen den verschiedenen Etagen gewechselt habe und macht die Heimleitung für die Größe des Ausbruchs verantwortlich.

Infizierte in Doppelzimmern wurden nicht isoliert

Tatsächlich geht aus einer Mail der Heimleitung an die Angehörigen hervor, dass Bewohner aus Doppelzimmern nicht von positiv Infizierten getrennt wurden. "Aufgrund der Belegung" bestehe keine weitere Möglichkeit, "Bewohner aus Doppelzimmern auf dem eigenen Wohnbereich zu separieren."

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Zudem sei - auf Anweisung der Heimaufsicht - das Duschen eingestellt worden, "da die Wasserdämpfe inklusive der Viren durch die FFP2-Masken dringen können." Außerdem sei das Essen auf "Standardversorgung" - offenbar Fertiggerichte - umgestellt worden, die mit Einweggeschirr verzerrt werden sollte.

Damit, so heißt es aus der Einrichtung, hätten viele Demenzkranke aber nichts anfangen können. Oft sei das Essen verweigert worden, die Bewohner seien teils ausgemergelt gewesen.

Bezirksämter und Gesundheitsverwaltung informieren nicht aktiv

Der Gesundheitsstadtrat aus Reinickendorf, Uwe Brockhaus (SPD), ließ seit Donnerstagabend mehrere Anfragen unbeantwortet. Nach zahlreichen Ausbrüchen in Pflegeheimen in Berlin hat die Senatsverwaltung für Gesundheit die Kommunikation offenbar an sich gezogen. Auch dort blieb eine generelle Anfrage von Freitagmorgen aber bislang unbeantwortet.

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Viele können das Schweigen nicht verstehen. "Ich bin mir sicher, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist in der Stadt", sagte der Angehörige aus Reinickendorf.

Die Gesundheitsstadträtin aus Steglitz-Zehlendorf, Carolina Böhm (SPD), hatte die passive Kommunikation in der vergangenen Woche begründet: "Wir wahren den Schutz der Einrichtungen", sagte sie, nachdem ein Ausbruch mit elf Todesfällen aus dem Oktober bekannt geworden war. Es gehe um medizinische Daten, zudem wolle man die Heime in schwierigen Situationen vor Presseanrufen und etwaigen verzerrenden Berichten schützen.

Umfassende Tests: Weitere 13 Infektionen in Friedrichshainer Heim

Eine Auskunft gab es am Montag vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Im Pflegeheim "Haus an der Spree" in Friedrichshain wurden weitere 13 Corona-Infektionen festgestellt, wie Bezirkssprecherin Sara Lühmann auf Nachfrage mitteilte. Nach einem großen Ausbruch mit 68 Infizierten - davon 55 Bewohnerinnen und Bewohner - waren am vergangenen Dienstag alle Heimbewohner und Mitarbeiter getestet worden. Dadurch seien acht weitere Infektionen bei Heimbewohnern nachgewiesen worden, zudem fünf angesteckte Mitarbeiter.

Um den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen, wurden Wachkoma-Patienten bereits ins Krankenhaus verlegt - für sie hatte es nicht mehr genug Personal gegeben. Wie viele Menschen aus dem Heim bislang mit oder an Corona verstorben sind, wusste die Bezirkssprecherin nicht. In dieser Woche sollen alle Bewohner und Mitarbeiter erneut getestet werden.

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