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Beatrice Kramm im Schustehruspark in Berlin-Charlottenburg.

© Thilo Rückeis

75 Visionen für Berlin – Folge 2: „Mein Traum von einer Metropolregion Berlin-Brandenburg“

Malen wir uns aus, wie es wäre, wenn Berlin und Brandenburg wirklich eng kooperieren würden. Die Vision der „Traumschiff“-Produzentin in Teil 2 unserer Serie.

Auch im Jahr 30 nach der Wiedervereinigung gibt noch zu viele Mauern in Berlin – und diese Mauern sollten wir endlich abbauen. Das ist meine Vision für das Berlin im Jahr – sagen wir – 2040: Weg mit den Zuständigkeitsmauern zwischen den Senatsverwaltungen, zwischen Senatsverwaltungen und Bezirken, weg mit den Mauern zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Berlin und Brandenburg und vor allem in unseren Köpfen.

Und nein, ich halte das nicht für ein utopisches Unterfangen. Im Unterschied zu einer Utopie trägt für mich eine Vision den Kern des Machbaren in sich.

Nehmen wir zum Beispiel die Mauer zwischen Berlin und Brandenburg: Physisch eingerissen, in den Köpfen leider noch nicht. Dabei können beide Bundesländer nicht mehr ohne das jeweils andere gedacht werden. Trotzdem enden häufig genug Abstimmungen, Planungen und das Interesse am Nachbarn an der Landesgrenze.

Sicher, beide Länder haben in der Vergangenheit einiges für eine bessere Zusammenarbeit unternommen, sie unterhalten gemeinsame Institutionen und Planungsgremien. Aber leider bleiben viele Ideen im Ungefähren oder kreisen darum, wie sich vor Jahrzehnten geplante Projekte umsetzen lassen – anstatt gemeinsam daran zu arbeiten, wie wir sie der aktuellen Lage anpassen können.

Bei allem Verständnis für die „Politik der kleinen Schritte“ in der regionale Entwicklung – wer immer nur kleine Tippelschritte macht, läuft Gefahr im Kreis zu gehen. Ich möchte den Landespolitikern beider Ländern zurufen: Traut Euch! Ein bisschen mehr Vision darf es durchaus sein.

Berlin und Brandenburg müssen sich als Einheit begreifen

Wir brauchen ein Zielbild ohne Mauern – eine Vision für unsere Stadt. Eine Vision ist schon lange nicht mehr ein Grund „zum Arzt zu gehen“ – eine Vision ist das Herzstück jeder erfolgreichen Unternehmung, Ausgangspunkt, Taktgeber und Wegweiser für dessen künftige Entwicklung. Meine Vision ist: Die Metropolregion Berlin-Brandenburg begreift sich als Einheit und agiert auch so.

[Die Autorin Beatrice Kramm (55) ist Geschäftsführerin und Inhaberin der Film- und Fernsehgesellschaft Polyphon in Adlershof und unter anderem Produzentin der ZDF-Serie „Das Traumschiff“. Außerdem fungiert Kramm als Präsidentin der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK).]

Wie also könnte das Zielbild einer erfolgreichen, lebenswerten Metropolregion Berlin-Brandenburg aussehen?

Zusammen gelingt es beiden Ländern in der Hauptstadtregion preiswerten und gut angebunden Wohnraum zu schaffen. Sie einigen sich auf eine gemeinsame Wohnungspolitik und weisen Bauland in enger Abstimmung aus. Sie reißen die Mauern zwischen privatem und öffentlichem Wohnungsbau ein und betrachten beides als gleichwertig. Sie unterstützen die Mieter und die Wohnungseigentümer und schaffen einen gerechten Ausgleich, der ohne Enteignungen auskommt.

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Die infrastrukturelle Erschließung wird über die Landesgrenzen hinweg geplant und durchgeführt. Die Planungen werden zeitlich aufeinander abgestimmt. Jahrzehntelanges Warten auf Straßen und Schienen hat dann ein Ende. Die verantwortlichen Behörden beider Länder schieben sich nicht gegenseitig die Verantwortung zu, sondern ziehen die Planung an sich und bekennen sich zu der gemeinsamen Herausforderung. Man stelle sich das vor.

Ein gemeinsames Verkehrskonzept entlastet die Straßen

Ein eng getakteter, gemeinsamer ÖPNV, ertüchtigt durch neue Schienenverbindungen, erschließt den Wohnraum im Umland und im weiteren Metropolenraum und selbst von dessen Rändern aus erreicht man in einer halben Stunde Berlins Zentrum. Der ÖPNV der Metropolenregion ist smart – digital vernetzt und durch künstliche Intelligenz so gesteuert, so dass Busse, Bahnen, Trams und S-Bahnen aufeinander abgestimmt verkehren. So werden die Ränder der Region attraktiv und lebenswert und so werden auch die Straßen entlastet, auf denen der Individual- und Wirtschaftsverkehr entspannt fließen kann.

Mehr Berührungspunkte: Die Glienicker Brücke über die Havel verbindet Berlin mit Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam.
Mehr Berührungspunkte: Die Glienicker Brücke über die Havel verbindet Berlin mit Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam.

© Manfred Thomas

Apropos Verkehr: Auch hier gilt es Mauern (in den Köpfen) einzureißen. Das Nebeneinander von Fußgänger, Radfahrern, Wirtschafts- und Individualverkehr zu ermöglichen, ist das Ziel von Verkehrsplanung. Man kann Mobilität weiter entwickeln, ohne alles bisher Erreichte in Frage zu stellen. Wir wollen selbst bestimmen, wie wir uns fortbewegen.

Wir brauchen ein Miteinander der Verkehrsmittel – dabei ist Nachhaltigkeit im Verkehr die Vision. Ein apodiktischer Ansatz ist zum Scheitern verurteilt – wir wollen kein „entweder – oder“. Der motorisierte Verkehr wird neue Antriebe haben, ob es sich um E- oder Wasserstoffahrzeuge oder (vermutlich) beides handelt, es ist ein gemeinsames Konzept für die Lade- und Wasserstoffinfrastruktur erforderlich.

[Lesen Sie auch den ersten Teil unserer Serie "75 Visionen für Berlin": Wie Michael Müller mit Freiheit und Vielfalt Erfolg für Berlin erreichen will.]

Der Wirtschaftsraum der Metropolenregion wird als Einheit gesehen. In der Welt ist dies ohnehin der Fall – Elon Musk baut sein Werk in Grünheide „bei Berlin“. Wir brauchen also eine gemeinsame Industrie- und Ansiedlungspolitik ohne kleinliche Animositäten. Meine Vision ist eine gemeinsame Berlin-Brandenburger Wirtschaftsförderung, die dazu beigetragen hat, die Region zu einem technologischen Zentrum des 21. Jahrhunderts zu machen. Dank der digitalisierten und vernetzten Verwaltung beider Bundesländer, die ein hohes Servicelevel bieten und gemeinsame Onlineportale unterhalten, gilt die Metropolregion als eine der ersten Adressen für Gründer und Investoren in der Welt. Zudem ist die Region demografisch stabil, und dank länderübergreifender Schul- und Ausbildungsstrukturen bestens mit Fachkräften versorgt.

60 Langstreckenverbindungen am BER binden die Region interkontinental an

Durch die gemeinsame Arbeit zum Wohle von uns Allen wird die Region auch international weiter an Profil gewinnen. Gemeinsam werden wir die Mauern der Skeptiker im Bundesverkehrsministerium überwinden und am BER starten und landen dann jährlich 55 Millionen Passagiere. Ein Großteil davon Touristen, aber auch zahlreiche Geschäftsreisende. Sie profitieren von den mittlerweile 60 Langstreckenverbindungen, die die Hauptstadtregion interkontinental anbindet. Die gemeinsame Marketingstrategie beider Länder hat sie besser als je zuvor im globalen Wettbewerb platziert.

In der neuen Serie "75 Visionen für Berlin" feiert der Tagesspiegel sein Jubiläum mit der Veröffentlichung von 75 kleinen und großen Gastbeiträgen.
In der neuen Serie "75 Visionen für Berlin" feiert der Tagesspiegel sein Jubiläum mit der Veröffentlichung von 75 kleinen und großen Gastbeiträgen.

© Illustration: Felix Möller für Tagesspiegel

[Dieser Beitrag ist die zweite Folge einer neuen Serie "75 Visionen für Berlin", die wir aus Anlass des 75. Tagesspiegel-Jubiläums gestartet haben. Darin bitten wir 75 Persönlichkeiten, ihre Vision für Berlin zu formulieren. Wie kann diese Stadt wirtschaftlich, sozial und kulturell noch erfolgreicher sein und zu einem noch lebenswerteren Ort werden? Welche konkrete Idee haben Sie? Wer müsste diese umsetzen? Das sind einige der Leitfragen.]

Die gemeinsame Hochschul- und Forschungspolitik beider Länder hat erheblich dazu beigetragen, die Region weltweit zu einem wissenschaftlichen Leuchtturm zu machen. In den Bereichen Gesundheitswirtschaft, Energietechnik und -versorgung sowie Klimaschutz sind die hiesigen Institute führend. Zudem hat die Metropolregion zahlreiche Testfelder für die Erprobung neuer Technologien eingerichtet. In Berlin und Brandenburg können so die fortschrittlichsten klimaschonenden Technologien eingesetzt werden – koordiniert und gefördert durch das von beiden Ländern für die Metropolregion entwickelte Klimaschutzkonzept.

Die Mauern einreißen, Grenzen sprengen?! Ja, das ist ambitioniert. Aber das liegt in der Natur einer Vision. Und es sollte uns diesseits und jenseits der Landesgrenze anspornen, sich auf den Weg der Verwirklichung zu machen. Denn Fakt ist: Langfristig kann Berlin nur zusammen mit Brandenburg wachsen und Brandenburg nur zusammen mit Berlin.

In einem ersten Schritt brauchen wir ein Forum, in dem Vertreter aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam Konzepte für die Region entwickeln und die Umsetzung fördern. Ein dafür geeigneter Organisator wäre das von der Berliner und Brandenburger Wirtschaft seit langem geforderte „Management für die Metropolregion“. Im Gegensatz zu anderen erfolgreichen Regionen gibt es das für Berlin-Brandenburg noch nicht – aus Sicht einer vernetzt denkenden und agierenden Wirtschaft nicht nachvollziehbar.

Natürlich wird es viele Jahre und noch mehr Mut, Unvoreingenommenheit und Durchhaltevermögen für die gemeinsame Umsetzung brauchen. Aber wo, wenn nicht in Berlin, sollte man daran glauben, das Mauern eingerissen werden können und die Zukunft gestaltbar ist.

Beatrice Kramm

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