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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke).

© dpa/Britta Pedersen

Mietendeckel, BER – und der Wahlkampf beginnt: Das bringt 2020 politisch in Berlin

Berlin erwartet ein spannendes Jahr. Bleibt alles anders? Die Parteien bringen sich in Stellung für die Wahl – und vielleicht eröffnet ein Flughafen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Am Montag feiert das Rote Rathaus seinen 150. Geburtstag. Erstmals tagte dort am 6. Januar 1870 die Stadtverordnetenversammlung, aber natürlich beherbergte der Prachtbau mit der schmucken Ziegelfassade auch den Magistrat samt Oberbürgermeister. Ein altes Stadtquartier musste dem neuen Ratsgebäude damals weichen, das drei Mal so teuer wurde als geplant. Typisch Berlin.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) verspricht zum Jubiläum, das Rote Rathaus „noch mehr zum Haus aller Berlinerinnen und Berliner zu machen“. Was er auch immer damit meint. Immerhin wird für den Sommer ein großes Bürgerfest vorbereitet. Überhaupt hat Berlin in diesem Jahr viel zu feiern. Am 27. April 1920, also vor einem Jahrhundert, hatte die Preußische Landesversammlung das Gesetz „über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ beschlossen. Kurz Groß-Berlin-Gesetz genannt, das nach zähen Kämpfen um die Zukunft der Stadt mit einer knappen Mehrheit von 164 gegen 148 Stimmen zustande kam.

Im September soll dann das Humboldt Forum endlich eröffnet werden, auch mit Verzögerung und in drei Etappen bis Mitte 2021. Berlin hat wieder ein Schloss, wenn auch ohne König, ganz demokratisch und der Welt zugewandt. Und nicht genug: Am 31. Oktober wird, wenn nichts mehr dazwischenkommt, der Hauptstadt-Flughafen BER in Schönefeld eröffnet. Voraussichtlich mit einem Flug der Lufthansa, wenn nicht gerade mal wieder die Piloten oder das Bodenpersonal streiken. Eine große Feier werden sich die Eigentümer Berlin, Brandenburg und der Bund wohl verkneifen. Das Ticket für die rauschende Eröffnungsparty im Juni 2012 ist auch nicht mehr gültig.

Trotzdem haben wir im Herbst einen anderen Grund zur Freude, es jährt sich am 3. Oktober die Vereinigung Deutschlands zum 30. Mal. In Berlin vor dem Reichstag wurde damals die deutsche Flagge in Überlebensgröße aufgezogen, hunderttausende Menschen schauten zu und sangen die Nationalhymne mit. Das geteilte Berlin konnte nun offiziell zusammenwachsen. Und zwar im schillernden politischen Farbenspiel: eine kurze Zeit Rot-Grün, dann Schwarz-Rot, erneut eine kleine Episode Rot-Grün, gefolgt von Rot-Rot, Rot-Schwarz und seit drei Jahren Rot-Rot-Grün. Die Stadt hat alles geduldig getragen und überlebt – und ist an sich selber gewachsen.

Im Herbst '21 wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt

Noch haben SPD, Linke und Grüne fast zwei Jahre Zeit, um das eigene Tun ins rechte Licht zu rücken. Im Herbst 2021 wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Nach den derzeitigen Umfragen bekämen wir dann vermutlich Grün-Rot-Rot. Aber erst hat der Müller-Senat noch eine Durststrecke zu überwinden, denn größere Erfolgserlebnisse im Regierungshandeln sind für 2020 nicht absehbar. Und immer nur feiern geht auch nicht. In seiner Neujahrsansprache formulierte der sozialdemokratische Regierungschef Müller betont vage. „Wir können mit Zuversicht nach vorn sehen“, sagte er in die Kamera. „Ich möchte eine Zukunft, die digital und sozial ist.“ Die größten Anstrengungen des Senats würden auch 2020 der Wohnungspolitik gelten.

Wohnungspolitik, ein gutes Stichwort. Am 15. Januar beginnt die parlamentarische Beratung des Mietendeckel-Gesetzes im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen. Im Februar soll das große Werk beschlossen werden, damit es ab März in Kraft treten kann. Ob das Gesetz der gerichtlichen Überprüfung ganz oder wenigstens teilweise standhalten wird, dürfte für das Schicksal von Rot-Rot-Grün im neuen Jahr entscheidend sein.

Alles andere, das 2020 noch zu tun ist, verblasst hinter diesem Thema, das die Stadt nach wie vor spaltet. Dass der Senat die Klimanotlage ausgerufen hat, wird in den nächsten vier Jahreszeiten wohl keine großen Spuren im Leben der Berliner hinterlassen. Papier ist geduldig, das gilt auch für die versprochenen Radschnellwege und Tramlinien. Das solidarische Grundeinkommen, Lieblingsprojekt des Regierenden Bürgermeisters zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, erweist sich, wie gestern berichtet, jetzt schon als Flop.

Angeblich wollen sich die Koalitionsfraktionen in den nächsten Wochen auf ein innen- und sicherheitspolitisches Paket einigen, über das sie sich fast ein Jahr gestritten haben. Es geht um die Verschärfung des Polizeigesetzes zur besseren Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität, aber auch um mehr Informationsrechte für die Bürger und niedrigere Hürden für Volksabstimmungen. Ab November dürfen sich dann rund 125 000 öffentlich Bedienstete über eine Hauptstadtzulage im Wert von 150 Euro monatlich freuen.

Alles Müller oder was?

Dann beginnt auch schon der Vorwahlkampf. Möglicherweise wissen wir noch vor Jahresende, wer die Berliner Parteien in die Abgeordnetenhauswahl führt, die voraussichtlich im September oder Oktober 2021 stattfindet. Alles Müller oder was? Vielleicht doch Franziska Giffey? Hinter dem künftigen Spitzenpersonal der SPD stehen wohl die meisten Fragezeichen. Vielleicht bringt die Neuwahl des SPD-Landesvorstands im Mai eine erste Klärung. Klaus Lederer ist bei den Linken gesetzt, und am Grünen-Duo Ramona Pop und Antje Kapek ist schwer vorbeizukommen. Gleiches gilt bei den Liberalen für Sebastian Czaja. Doch wen wird die CDU anbieten? Und was wird aus der AfD?

So gesehen, könnte 2020 in Berlin gar nicht so uninteressant werden. Man muss nur die Erwartungen an die Landespolitik nicht zu hochschrauben, dann lebt es sich im „Sehnsuchtsort für Menschen in aller Welt“ (Originalton Müller) im neuen Jahr vielleicht sogar relativ unbeschwert.

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