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Protest Mieter von Heimstaden forderten am Donnerstag mehr Geld für das Vorkaufsrecht

© Marian Schuth

Protest gegen schwedischen Investor: Mieter werfen Senat „Geheimverhandlungen” mit Heimstaden vor

Zwei neue Initiativen demonstrieren am Sonntag gegen den Investor Heimstaden. Auch der Senat steht in der Kritik – diesmal von links.

Verzweifelter Protest – das ist es, was dem schwedischen Investor Heimstaden Bostad AB entgegenschlägt, der vor einigen Wochen etwa 4000 Berliner Wohnungen gekauft hat. Am Sonntag wollen zwei neue stadtweite Mieterinitiativen demonstrieren. Bereits in der vergangenen Woche wurde jeden Tag protestiert. „Her mit dem Geld!“, rief eine Rednerin am Donnerstagmorgen vor dem Abgeordnetenhaus. Hier hatten sich etwa 50 Menschen zu einer „Lärmdemo“ versammelt.

Sie schlugen auf mitgebrachte Töpfe und riefen: „Füllt die Töpfe für den Vorkauf!“ Aufgerufen hatte die Initiative „Stop Heimstaden“. Mehrere Bezirksämter prüfen zurzeit die Ausübung des Vorkaufsrechts für betroffene Immobilien. Doch die Kassen sind leer, auch wegen Corona.

Eine Sprecherin der Initiative, die sich Luca Niefanger nennt, sagt: „Am 23. November endet die Vorkaufsfrist für viele Häuser.” Bis dahin wollen die Mieter auf ihre Sorgen um Verdrängung aufmerksam machen. Niefanger ist selbst betroffen. Sie wohnt in der Emdener Straße in Moabit, dort hat Heimstaden die Hausnummern 38 und 39 erworben. „Unser Haus liegt in einem Milieuschutzgebiet“, sagt sie, „daher haben wir ein Schreiben des Bezirks bekommen, das uns über den Kauf informiert hat.“

Das ist nicht immer der Fall. Kathleen Meier wohnt in der Wisbyer Straße, ebenfalls Milieuschutzgebiet. Vom bevorstehenden Kauf habe sie aus einem Brief der Mieterberatung Prenzlauer Berg erfahren. Die arbeitet im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Der Bezirk Pankow habe sich bislang nicht bei ihr gemeldet, sie fühle sich alleingelassen, sagt Meier. Eigentlich heißt sie anders, ihren Namen möchte sie jedoch nicht in der Zeitung lesen. Bei Mieterversammlungen soll Betroffenen geraten worden sein, sich nicht mit ihren echten Namen in der Öffentlichkeit zu äußern.

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Der Pankower Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) teilt auf Anfrage mit, dass es in seinem Bezirk um zehn Häuser in Milieuschutzgebieten gehe. Senat und Bezirk wollen demnach gemeinsam vorgehen: Bei solchen „berlinweiten Ankäufen großer Wohnungsbestände eines privaten Unternehmens“ habe der Senat „eine besondere Verantwortung und koordiniert auch die Aktivitäten“, sagt Kuhn.

Politiker verhandeln mit Heimstaden

Am Donnerstag fand ein Treffen zwischen Senat, Bezirken und Heimstaden statt. Die Stadtentwicklungsverwaltung bestätigte das auf Anfrage. Am Verhandlungstisch saßen demnach Staatssekretärin Wenke Christoph (Linke) für die Stadtentwicklungsverwaltung, Vera Junker (SPD) für die Finanzverwaltung, außerdem Neuköllns Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne) als Vertreter der Bezirke. Über den Inhalt der Gespräche ist nichts bekannt.

Ein großer Knackpunkt bei bisherigen Verhandlungen mit Heimstaden war die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung gewesen, in der sich der Investor unter anderem verpflichten sollte, auf Umwandlung in Eigentumswohnungen zu verzichten. Heimstaden war dazu nicht zu erreichen.

Schon im September wurde in Berlin-Kreuzberg gegen den Verkauf von Wohnungen an Heimstaden protestiert.
Schon im September wurde in Berlin-Kreuzberg gegen den Verkauf von Wohnungen an Heimstaden protestiert.

© Kitty Kleist-Heinrich

Das Vorgehen des Senats trifft auch auf Kritik – diesmal von links. Eine neue Gruppierung namens „Mieter:innengewerkschaft (MG)“ wirft der Politik vor, „Geheimverhandlungen“ zu führen. „Das ist nicht unsere Vorstellung von Demokratie“, sagt eine Sprecherin, die sich Olga Tiefenbo nennt. Ziel sei eine „langfristige Organisierung, um kollektiv Druck aufzubauen und für Mitbestimmung zu kämpfen“.

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Die Idee zu einer Gewerkschaft für Mieter habe es bereits seit etwa zwei Jahren gegeben, sagt Tiefenbo. Die Gründungsinitiative besteht zwar nur aus etwa 30 Leuten, hat aber große Ambitionen. In Zukunft wolle die MG direkt mit Eigentümern verhandeln, etwa über die Miethöhe oder „kollektive Mitbestimmung“ bei Modernisierungsvorhaben. Der Markteintritt Heimstadens habe die Gründung beschleunigt, es ginge aber nicht nur um diesen Investor.

Ein Vorbild kommt – wie Heimstaden – aus Schweden. Die dortige Hyresgästföreningen vertritt über 500.000 Haushalte und verhandelt jedes Jahr die Miethöhe mit größeren Eigentümern, ähnlich den Tarifverhandlungen der Gewerkschaften. Doch in Berlin wird erst einmal weiter protestiert. Für Sonntag rufen beide Initiativen zu einer Demonstration auf, um 12 Uhr wollen sie vom Alexanderplatz zum Mauerpark ziehen. Motto: „Wir holen uns Berlin zurück!“ Die Polizei erwartet rund 500 Teilnehmende. 

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