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Berlin: Momper verteidigt Rot-Rot gegen Biermanns Attacke

Parlamentspräsident: Kritik von Realität überholt Heute verleiht er dem Sänger die Ehrenbürgerwürde

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Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) hat dem Liedermacher Wolf Biermann vorgeworfen, dass seine Fundamentalkritik an der Koalition der Sozialdemokraten mit der Linkspartei/PDS von der Wirklichkeit überholt sei. „Die gesellschaftliche Realität in der Stadt ist über Biermanns Äußerungen hinweggegangen, weil es diese Koalition gibt“, sagte Momper am Sonntag. Biermann hatte gesagt, er finde es „verbrecherisch“, dass Berlins SPD mit der PDS „ins Bett geht“. Ähnliches hatte er schon zu Beginn der rot-roten Koalition vor fünf Jahren kritisiert. Biermann war 1976 wegen regimekritischer Texte von der DDR ausgebürgert worden. „Er wiederholt die alten Geschichten, das muss man wohl als ,typisch Biermann’ verbuchen“, findet Momper.

Der Parlamentspräsident soll dem Liedermacher am heutigen Montagnachmittag im Roten Rathaus die Ehrenbürgerurkunde Berlins überreichen, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hält eine längere Rede, in der er nach Auskunft seines Sprechers Michael Donnermeyer auch auf Biermanns aktuelle Vorwürfe eingehen will. Dabei werde er aber „die Würde des Instituts der Ehrenbürgerschaft achten“, sagt Donnermeyer. „Ich lasse mich durch Biermanns Äußerungen nicht provozieren“, sagt auch Walter Momper. Angst, dass die Ehrung vor 300 Gästen aus Politik und Kultur sowie früheren Ehrenbürgern durch weitere Biermann-Attacken gegen Rot-Rot und vor allem die PDS eskalieren könnte, hat der Sozialdemokrat nicht. „Wenn man so eine streitbare Persönlichkeit ehrt, muss man damit rechnen, dass sie provokante Äußerungen tut.“ Die Initiative zur Biermann-Ehrung war von der CDU-Opposition im Parlament ausgegangen, SPD und Linkspartei waren anfangs dagegen.

Der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber schloss sich der Kritik seiner Berliner Parteifreunde an Biermanns Äußerungen an. Wenn Biermann die rot-rote Koalition als „verbrecherisch“ bezeichne, sei er „schief gewickelt“, sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler der „Leipziger Volkszeitung“. Er selbst sei zwar ebenfalls gegen eine Koalition mit der PDS. „Aber die Koalition in Berlin ist demokratisch zustande gekommen“, sagte der konservative SPD-Politiker. Die Entscheidung, Biermann die Ehrenbürgerwürde Berlins zu verleihen, hält Weißgerber dennoch weiterhin für richtig. Er habe es auch dem Wirken Biermanns zu verdanken, dass er sich heute als ehemaliger DDR-Bürger frei äußern kann.

Uwe Lehmann-Brauns, CDU-Abgeordneter und Initiator der Biermann-Ehrung, erwartet, dass der Liedermacher mit politischer Kritik auch während der heutigen Zeremonie nicht sparen wird. „Biermann sieht das kämpferisch und gibt seine Haltung nicht an der Garderobe ab“, sagt Lehmann-Brauns. Sein Parteifreund Michael Braun, der selbst gerne polemisch gegen Rot-Rot streitet, findet: „Eine Stadt wie Berlin, die vom Streit und von Widersprüchen lebt, muss so was aushalten.“ Entschiedenen Zuspruch bekam Biermann von einem weiteren Oppositionspolitiker, der gerne mal rhetorisch zulangt. „Ich habe großes Verständnis für Biermanns Äußerungen“, sagte FDP-Fraktionschef Martin Lindner. „Das Bündnis mit der PDS ist eine politische Schweinerei der SPD“, es sei „Verrat an der Geschichte“. Bei den Sozialdemokraten, die sich 2001 zur Koalition durchgerungen hatten, sieht man das naturgemäß anders. „Biermanns Äußerungen beeindrucken nicht viele in der SPD“, ist Walter Momper überzeugt.

Lars von Toerne

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