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Auf die anderen warten oder schon anfangen? Das ist im Lokal immer die Frage, wenn das bestellte Essen nicht gleichzeitig kommt.

© Daniel Naupold/dpa

Fallstricke des Alltags: Muss man beim Restaurantbesuch warten, bis alle ihr Essen haben?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Unser Freundeskreis, der sechs Personen umfasst, saß letztens in einer Pizzeria. Wir erhielten die Pizza in zwei Tranchen. Es entbrannte dann eine lebhafte Diskussion, ob die, welche ihre Pizza zuerst erhielten, schon mit dem Essen anfangen oder höflicherweise warten sollten, bis alle eine Pizza hatten. - Alex, hungrig

In gehobenen Restaurants ist es selbstverständlich, dass die um einen Tisch herumsitzenden Gäste die Speisen zeitgleich serviert bekommen. In der Sterne-Klasse wird das gern mit ein bisschen Show versehen, indem die Kellner wie auf ein unsichtbares Kommando von allen Tellern gleichzeitig silberne Hauben entfernen, sodass es aussieht wie im Ballett: Vorhang auf für die Kunst der Küche. So viel exaktes Timing hat einen Preis, den nicht jeder zahlen kann und will – nicht jeder Gast, aber auch nicht jeder Wirt. Natürlich geht es in einer Pizzeria entspannter zu, das hat ja auch was Gemütliches.

Der Satz „Lasst es nicht kalt werden“, ist Ihnen sicher vertraut. Man hört ihn immer dann, wenn der Service oder die Gastgeber nicht in der Lage sind, allen gleichzeitig das Essen zu servieren. Je entspannter das Ambiente ist, desto weniger streng werden in der Regel auch die Höflichkeitsregeln gehandhabt. Im Gourmet-Restaurant ist es ja schon im Interesse des ambitionierten Kochs, dass die Gäste seine Köstlichkeiten genau in der Temperatur verzehren, für die er sie konzipiert hat. Bei Pizza ist die Spannbreite größer, die schmeckt zur Not auch lauwarm, aber manchem dann vielleicht nicht mehr so gut, wie wenn der Käse noch brutzelt. Sicher ist es höflich zu warten, bis alle ihr Essen haben. Ein gemeinsames Mahl ist schließlich auch eine Zeremonie.

Andererseits ist es schade, wenn diejenigen, die zuerst bedacht werden, dann das Nachsehen haben, weil sie die Pizza kalt verzehren müssen. Es wäre also sicher richtig und auch höflich, wenn diejenigen, die in der ersten Runde leer ausgingen, den anderen von sich aus ausdrücklich die Erlaubnis gäben, gleich zuzuschlagen. Gerade bei Pizza böte es sich an, wenn die frühen Esser den anderen zur Überbrückung eine Tranche von ihrer eigenen Pizza anbieten würden, abgeschnitten bitte gleich zu Beginn mit dem noch sauberen Besteck. Das ist nicht jedermanns Sache, schon klar, wäre aber auf jeden Fall eine nette Geste, die eine solche Situation auflockert.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

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