
© dpa/Carsten Koall
Mutmaßliches Betrugssystem bei Mietwagen und Taxis in Berlin: Der Trick mit „Firmenbestattungen“
Nach Recherchen des „rbb“ stehen mindestens 61 Firmen aus dem Mietwagen- und Taxigewerbe hinter einem ausgefeilten Betrugssystem. Sie sollen so Steuern und Sozialabgaben gespart haben.
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Mindestens 61 Firmen aus dem Berliner Mietwagen- und Taxigewerbe stehen im Verdacht, mithilfe eines ausgefeilten Betrugssystems Steuern und Sozialbeiträge gespart zu haben. Das Konstrukt nennt sich „Firmenbestattung“. Dies legen Recherchen des „rbb“ nahe.
Nach Informationen des Senders bleiben die Unternehmen zwei Jahre am Markt und befördern Fahrgäste. Zwischenzeitlich soll der Geschäftsführer wechseln, dann wird der Betrieb ins Ausland verkauft. So entziehen sich die Hinterleute mutmaßlich den deutschen Behörden.
Mann aus Brandenburg soll im Fokus stehen
Die Fahrzeuge bleiben unterdessen in Deutschland. Rund 1300 Autos sollen zu Hochzeiten auf den Straßen der Hauptstadtregion im Einsatz gewesen sein, viele wohl mit Fahrerlaubnis der Berliner Aufsichtsbehörde Labo (Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten).
Schlupfloch bei Firmenverkäufen genutzt
Es ist nicht das erste Mal, dass systematischer Betrug mit Taxis oder Mietwagen an die Öffentlichkeit kommt. Im Juni ließ das Labo Hunderte Wagen sperren, die ihre Genehmigungsunterlagen mutmaßlich gefälscht hatten und illegal unterwegs gewesen waren. Über 18-Monats-GmbHs – ein alternativer Begriff zu „Firmenbestattung“ – hatte der Tagesspiegel ebenfalls schon berichtet. Die Masche funktioniert sowohl mit Taxis als auch mit Mietwagen. Letztere erhalten Aufträge von Plattformen wie Uber, Bolt und Bliq.
Im Zentrum des aufgedeckten Systems soll ein Mann aus Brandenburg stehen. Als Geschäftsführer einer bulgarischen GmbH soll er in allen Fällen in Prozesse der Unternehmensverschmelzung oder des Verkaufs involviert sein. Offenbar arbeitet er in Berlin oft mit den gleichen Notaren zusammen.
Hat der Betrieb einen neuen Eigentümer in Bulgarien gefunden, sind die Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft und des Finanzamts begrenzt. Dem „rbb“-Bericht zufolge wird bei Firmenverkäufen nicht kontrolliert, ob das Unternehmen zuvor rechtmäßig Steuern gezahlt hat.
Aufgrund dieses Schlupfloches konnten Kriminelle ihre Fahrer mutmaßlich schwarz bezahlen und sich unter anderem Beiträge für die Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung sparen, alles unter der Flagge einer legalen GmbH. Der Verkehrsexperte Tino Schopf (SPD) sieht daher auch das Labo in der Verantwortung: Diese habe „schludrig Konzessionen erteilt“, ohne die Wirtschaftlichkeit der Betriebe zu prüfen. Bei einer Einsicht der Amtsunterlagen im vergangenen Jahr habe Schopf mehrere Auffälligkeiten entdeckt.
Der Verkehrsexperte habe deshalb den Mann aus Brandenburg und einen weiteren mutmaßlichen Drahtzieher angezeigt, wie er auf Tagesspiegel-Nachfrage bestätigt. Er verdächtigt sie, Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit sowie systematische „Firmenbestattung“ in mehr als 50 Fällen begangen zu haben. Das legten die beim Handelsregister hinterlegten Gewinn- und Verlustrechnungen nahe.
Laut dem „rbb“ könnten dem Steuerzahler durch das Betrugssystem Einnahmen im mittleren zweistelligen Millionenbereich entgangen sein.
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