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Nach Bericht von Expertenkommission: Berlin soll ständiges Gremium zu antimuslimischem Rassismus bekommen
Justizsenatorin Lena Kreck will strukturelle Diskriminierung bekämpfen und das Neutralitätsgesetz abschaffen. Abgeordnete debattieren hitzig zum Thema.
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Das Land Berlin wird ein ständiges Expertengremium zu antimuslimischem Rassismus bekommen. Das kündigte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Donnerstag im Justizausschuss des Abgeordnetenhauses an. Ziel sei es, strukturelle Diskriminierung zu erkennen und zu verstehen, an welchen Rädern man drehen müsse, um diese Strukturen zu verändern.
Die Senatorin sprach sich auch dafür aus, das Berliner Neutralitätsgesetz abzuschaffen. Das Gesetz verbietet weitgehend das Tragen religiöser Symbole in Teilen des Öffentlichen Dienstes, vor allem in Polizei, Justizdienst und im Bildungsbereich.
Die Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung, Saraya Gomis (parteilos), kündigte an, das Gremium solle so finanziell ausgestattet werden, dass Studien zu dem Problemfeld möglich seien.
Antimuslimischer Rassismus ist nicht nur in der extremen Rechten verbreitet, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft.
Linke-Abgeordnete Elif Eralp
Zuvor hatten die Abgeordneten im Ausschuss hitzig zu dem Thema debattiert. Mehrere Experten waren geladen, um zum Abschlussbericht der unabhängigen Expertenkommission Antimuslimischer Rassismus zu sprechen. Das Gremium war im Februar 2020 vom Senat einberufen worden und hatte kürzlich seinen Bericht mit Handlungsempfehlungen vorgelegt.
Die Abgeordneten Elif Eralp (Linke) und Tuba Bozkurt (Grüne) begründeten zu Beginn der Anhörung im Ausschuss, warum das Thema den Regierungsparteien ein Anliegen ist. „Antimuslimischer Rassismus ist nicht nur in der extremen Rechten verbreitet, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft“, sagte Eralp. Den Kampf dagegen wolle man stärken. Die Abgeordnete Bozkurt, die 20 Jahre lang selbst Kopftuch getragen hat, sagte auch mit Verweis auf ihre eigenen Erfahrungen, dass Menschen, die als Muslime angesehen würden, in der Gesellschaft „um ihre Rechte betrogen“ würden.
Kommission empfiehlt Leitfaden fürs LKA
Lydia Nofal, Delegierte des Islamforums und Mitglied der Expertenkommission, führte vor den Abgeordneten die zentralen Handlungsempfehlungen der Kommission aus, wie etwa die Erstellung eines Leitfadens zu islamfeindlichen Straftaten für das Landeskriminalamt, ähnlich wie es ihn schon für antisemitische Straftaten gibt, und die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.
Cihan Sinanoğlu vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung sagte, Rassismus töte nicht nur, sondern führe auch zu sozialer Ungleichheit. Er berief sich etwa auf eine Studie, die zeige, dass Frauen mit Kopftuch sich vier Mal häufiger bewerben müssen als Frauen ohne Kopftuch mit gleichwertiger Qualifizierung – bei höheren Positionen sogar sieben Mal häufiger.
Buchautor und Psychologe Ahmad Mansour betonte zwar, wie „enorm wichtig“ die Arbeit gegen Muslimfeindlichkeit sei, kritisierte aber die Empfehlungen der Kommission. Die Debatte zum Thema dürfe nicht dazu führen, dass jegliche Kritik an Religion oder bestimmten Communities als islamfeindlich abgetan werden. „Davor muss ich warnen“, sagte er. Sich etwa kritisch mit dem Kopftuch auseinanderzusetzen, sei nicht islam- und auch nicht muslimfeindlich. Er vermisse bei dem Thema eine offene Diskussion in Berlin und in der Arbeit des Senats.
Schlagabtausch zwischen Oppositions- und Regierungsfraktionen
Bei der Debatte wurde deutlich, wie unterschiedlich Oppositions- und Regierungsparteien zu dem Thema stehen. Der CDU-Abgeordnete Alexander Herrmann machte in seiner Frage deutlich, dass für ihn die Grenze zwischen Kritik am Islam und antimuslimischen Rassismus nicht klar sei. Er sagte mit Verweis auf Mansour, dass man in der Demokratie bestimmte Kritik aushalten müsse.
Der AfD-Abgeordnete Marc Vallendar wollte in seinem Beitrag wissen, inwiefern gewisse Gruppen und auch die Arbeit der Kommission von islamistischen Gruppen unterwandert seien. Die Linke-Abgeordnete Eralp bezeichnete den Beitrag danach als Beispiel dafür, wie antimuslimischer Rassismus dafür genutzt werde, um Hass und Hetze in die Gesellschaft zu tragen. Justizsenatorin Kreck hob zum Schluss hervor, dass die Debatte zeige, dass man mit den Handlungsempfehlungen nicht an einem Punkt sei, wo man einen Haken machen könne, sondern es sich vielmehr um einen Prozess handle.
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