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Aus der Treitschkestraße wird die Betty-Katz-Straße.

© Niklas Bessenbach

Nach jahrelanger Debatte in Berlin-Steglitz: Die Treitschkestraße heißt jetzt Betty-Katz-Straße

Die Treitschkestraße in Steglitz-Zehlendorf war nach einem Antisemiten benannt. Nun hat sie einen neuen Namen bekommen – nach langer Debatte.

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Nachdem im Bezirk Jahrzehnte lang heftig über eine Umbenennung der Treitschkestraße gestritten wurde, dauerte es an diesem Mittwoch nur wenige Sekunden, um den neuen Straßennamen zu enthüllen: Aus der Treitschkestraße in Berlin-Steglitz wurde die Betty-Katz-Straße.

„Mit dieser Straßenbenennung erinnern wir an Betty Katz’ Leben und zeigen: Wir wollen in einer Gesellschaft leben, die niemanden ausgrenzt. Eine Gesellschaft, die für Menschlichkeit und mit all ihrer Vielfalt für Zusammenhalt steht“, sagte Urban Aykal (Grüne), als Bezirksstadtrat unter anderem für Straßen zuständig. Er enthüllte den neuen Namen unter Jubel der Anwesenden.

Etwa 200 Menschen waren gekommen, um den historischen Moment mitzuerleben – einige Schüler von umliegenden Schulen, aber auch viele Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Verordnete der Zählgemeinschaft aus Grüne, SPD und FDP sprachen. Von der Kreis-CDU, die viele Jahre gegen die Umbenennung gekämpft hatte, kam hingegen niemand.

„Mit der Betty-Katz-Straße sagen wir klar: Antisemitismus darf keinen Platz haben – nicht auf unseren Straßenschildern, nicht in unseren Köpfen, nicht in unserer Gesellschaft“, sagte Daniel Eliasson, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der BVV Steglitz-Zehlendorf. „Wir stellen dem Namen Treitschke den Namen Katz entgegen – und damit eine Botschaft: Erinnerung darf niemals Täter und ihre Vordenker verherrlichen, sondern muss den Opfern und ihrem Vermächtnis gewidmet sein.“

Die Straßenschilder der ehemaligen Treitschkestraße werden ausgetauscht.

© Niklas Bessenbach

Ellinor Trenczek von der SPD sprach von einem „wichtigen Schritt in der Neuausrichtung der bezirklichen Erinnerungskultur“. Die Umbenennung zeige, dass historische Auseinandersetzung anders erfolgen könne „als durch die Entschuldigung dessen, was falsch ist, nämlich zum Beispiel durch die Befassung mit den Opfern von Hass und Hetze und deren Würdigung“.

Katharina Concu von der FDP erinnerte an die „abwechslungsreiche, intensive, kontroverse Diskussion“, die der Umbenennung vorausgegangen war. Einige Bezirksverordnete hätten erst noch davon überzeugt werden müssen, „dass es tatsächlich an der Zeit ist, diese Straße hier in Steglitz umzubenennen“.

Wie berichtet wurde in Steglitz-Zehlendorf rund 30 Jahre darüber diskutiert, ob die Treitschkestraße nach einem bekannten Antisemiten benannt sein soll. Heinrich von Treitschke (1834 bis 1896) war Publizist und Hochschullehrer. Er stand bereits zu seiner Zeit für seine nationalistischen und antisemitischen Ansichten in der Kritik. Seine Formulierung „Die Juden sind unser Unglück“ griffen die Nazis später auf. Treitschke gilt als ein Wegbereiter des politischen Antisemitismus in Deutschland. 

Im September 2022 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung – gegen die Stimmen von CDU und AfD –, die Straße umzubenennen. Der zuständige Ausschuss für Bildung und Kultur sollte gemeinsam mit Anwohnerinnen und Anwohnern innerhalb eines Jahres einen neuen Namen finden. Tatsächlich dauerte es zwei Jahre, bis man sich auf Betty Katz als Namensgeberin einigte. Katz, 1872 in Posen geboren, war Lehrerin und Direktorin des Jüdischen Blindenheims in der Steglitzer Wrangelstraße, in dem bis zu 50 Menschen lebten. Sie wurde am 6. Juni 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.

Skeptisch war insbesondere die CDU. Claudia Wein, kirchenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, schrieb etwa in einem Brief an Anwohner, Treitschkes „Ansichten“ und seine „Rolle in der Geschichte“ seien „umstritten“ – ohne auf seine nationalistischen und antisemitischen Positionen einzugehen. Und Torsten Hippe, Fraktionschef der Kreis-CDU, argumentierte in einer BVV-Sitzung, eine Umbenennung bedeute die „Entfernung von Geschichte“. Nach langen Diskussionen stimmte im Januar 2025 schließlich auch die CDU der Umbenennung zu.

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