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Helge Heidemeyer wird neuer Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

© BStU/promo

Nach Rauswurf von Hubertus Knabe: Helge Heidemeyer soll Stasiopfer-Gedenkstätte leiten

Für die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wurde ein neuer Direktor gefunden. Es wird ein Abteilungsleiter aus der Stasiunterlagenbehörde.

Für den nach Sexismusvorwürfen 2018 entlassenen Hubertus Knabe gibt es einen Nachfolger als Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Nach Tagesspiegel-Informationen wird am Montagmittag Helge Heidemeyer als neuer Direktor verkündet. Heidemeyer ist bislang Leiter der Abteilung Bildung und Forschung beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, und soll sein neues Amt im Herbst 2019 antreten.

Heidemeyer, geboren 1963 in Remscheid, hat Neuere und Mittlere Geschichte, Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Passau und München studiert, ist Lehrbeauftragter und war bis 2012 Mitglied der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Bis 2005 hatte er als erster wissenschaftlicher Leiter die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde aufgebaut. Seit 2008 ist er Abteilungsleiter in der Stasiunterlagen-Behörde.

Auf die Stellenausschreibung für den Posten als Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen lagen insgesamt 30 Bewerbungen vor. Neun Bewerbungen sind von Frauen eingereicht worden. Zwölf der Bewerberinnen und Bewerber haben als Wohnsitz Berlin angegeben.

Das Dienstverhältnis der neuen Gedenkstättenleitung ist laut Ausschreibung zunächst auf fünf Jahre befristet, wird aber eine Option auf Verlängerung enthalten. Der neue Direktor wird zugleich als Vorstand der vom Land Berlin und vom Bund getragenen Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen bestellt.

Die Stiftung wird je zur Hälfte vom Land Berlin und vom Bund getragen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatten für die Auswahl auf breite Expertise und Fachkenntnis gesetzt. Grütters setzte eine siebenköpfige Findungskommission mit ausgewiesenen Experten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur ein, die dann dem Stiftungsrat Vorschläge unterbreitete.

Lederer: Der neue Direktor steht für Kulturwandel

Lederer sagte, der Stiftungsrat habe einstimmig für Heidemeyer entschieden. "Mit ihm gewinnt die Stiftung eine sowohl in der Gedenkstättenarbeit als auch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung des SED-Regimes erfahrene Persönlichkeit. Ich bin sicher, dass mit Dr. Heidemeyer der Gedenkstätte eine inhaltliche Entwicklung sowie der dringend notwendige Kulturwandel gelingt", erklärte der Kultursenator.

Das einhellige Votum von Findungskommission und Stiftungsrat sei "ein überzeugender Vertrauensbeweis für eine Persönlichkeit, die sich seit vielen Jahren konsequent für die wissenschaftliche Aufarbeitung des DDR-Unrechtsregimes einsetzt", sagte Kulturstaatsministerin Grütters. Heidemeyer stehe für ein Führungsverständnis, "das den besonders hohen Ansprüchen einer Gedenkeinrichtung entspricht, die sich der Bekämpfung des Unrechts und der Wahrung der Menschenrechte verpflichtet sieht".

Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen werde auch in Zukunft ein Ort sein, "an dem insbesondere junge Menschen durch das Gespräch mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und durch den unmittelbaren Eindruck der bedrückenden Haft- und Vernehmungsräume eine Vorstellung vom Leiden der Opfer und der Notwendigkeit der Aufarbeitung des DDR-Unrechtsregimes gewinnen werden". Damit widersprach Grütters Befürchtungen, durch den neuen Chef könnte die Arbeit der Gedenkstätte politisch beeinflusst werden.

Kommission suchte nach Knabe-Nachfolger

Aufgabe der Findungsommission war es, aus dem Bewerberpool eine Auswahl treffen und Vorschläge unterbreiten. Diese mussten dann dem Stiftungsrat der Gedenkstätte vorgelegt werden. Der Stiftungsrat, dem Lederer vorsitzt, traf dann die Entscheidung über die Berufung des neuen Direktors.

Grütters und Lederer hatten dieses Verfahren gewählt, um von Beginn an dem Verdacht zu entgehen, beide würden die Entscheidung beeinflussen oder über die Personalauswahl eine politische Ausrichtung der Gedenkstätte vornehmen. Deshalb saßen in der Auswahlkommission auch keine Vertreter der Kulturstaatsministerin oder der Senatskulturverwaltung. Im Klartext: Grütters und Lederer wollten das Verfahren weitestgehend von sich fernhalten.  

Lederer und Grütters wollten damit auch den Verdacht entkräften, ein linker Kultursenator könne jemanden, der das DDR-Unrecht verharmlost, zum Leiter der Gedenkstätte berufen. Grütters selbst hatte von einem „Vertrauenssignal an die Opfer der SED-Diktatur und an die Gruppe der Experten“ gesprochen, „die an der Aufarbeitung der SED-Diktatur beteiligt sind“.

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Hubertus Knabe hatte die Gedenkstätte mehr als 17 Jahre lang geleitet. Ende September war er wegen seines Umgangs mit Belästigungsvorwürfen gegen den Vize-Gedenkstättendirektor Helmuth Frauendorfer vom Stiftungsrat von seinen Aufgaben entbunden und entlassen worden. Der Stiftungsrat warf ihm vor, nicht entschieden genug gegen die sexuelle Belästigung von Frauen durch seinen Vize vorgegangen zu sein. Er habe die Missstände über Jahre geduldet, gedeckt und durch seinen Führungsstil befördert.

Kulturstaatsministerin Grütters hatte über „hässliche Einblicke“ gesprochen und über Knabe gesagt: „Er hat aber trotz mehrmaliger Ansprache nicht den Willen gezeigt, an der Situation in der Gedenkstätte etwas zu verändern.“ Knabe selbst hatte die Vorwürfe stets bestritten – und er hatte zunächst gegen seine Entlassung geklagt. Nach einem Vergleich mit der Senatskulturverwaltung hat er seine Klage aber zurückgezogen.

Zum Auswahlgremium für den Knabe-Nachfolger gehörten die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Sachsen-Anhalt, Birgit Neumann-Becker, der Direktor der Stiftung Gedenkstätte Berliner Mauer, Axel Klausmeier, die Brandenburger Diktaturbeauftragte Maria Nooke und der Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama.

Weitere Mitglieder waren der Historiker Christian Sachse von der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und ehemalige Aussiedlerbeauftragte, Hartmut Koschyk (CSU), und die ehemalige Leiterin der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU), Marianne Birthler. Koschyk leitete die Findungskommission.

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