zum Hauptinhalt
Die Täter von der Mörschbrücke sind unbekannt - beziehen sich aber auf vergangene Anschläge.

© Paul Zinken/dpa

Nach Stromausfall in Charlottenburg: Wer steckt hinter dem Anschlag auf die Stromleitungen?

Der Brandanschlag auf Starkstromkabel ist offenbar Teil einer Serie. Die linksextremen Täter sind mutmaßlich seit 2011 in Berlin aktiv.

Von Frank Jansen

Sicherheitskreise haben manchmal einen makaberen Humor. Die „Vulkanier“ hätten wieder zugeschlagen, heißt es nach dem Brand von acht Starkstromleitungen an der Charlottenburger Mörschbrücke. Gemeint sind jedoch nicht die Außerirdischen mit den spitzen Ohren aus der TV- und Filmserie "Star Trek", sondern linksextreme Zündler. Den Brand von Montagmittag, durch den die Stromzufuhr für mehr als 6000 Haushalte und 400 Gewerbebetriebe ausfiel, schreiben die Sicherheitsbehörden einer Gruppe Brandstifter zu, die seit 2011 Berlin heimsucht - und sich in ihren Bekennerschreiben häufig auf Vulkane bezieht. Diesmal nennen sich die Täter „Vulkangruppe NetzHerrschaft zerreißen“.

Die mutmaßlich mindestens zwei Täter gingen vergleichsweise professionell vor. Die zwei Brandsätze an der Mörschbrücke steckten nach Informationen des Tagesspiegels in Metallblumenkästen, die mit elektronischen Zündern versehen waren. Allerdings entflammte nur eine Apparatur. Der Regierende Bürgermeister verurteilte den Anschlag. Das sei kein dummer Scherz, sagte Michael Müller und hielt den Tätern vor, mit dem Angriff auf das Stromnetz das Leben von Patienten in Krankenhäusern zu gefährden und Unfälle im Straßenverkehr zu riskieren.

"Der hoffentlich hohe wirtschaftliche Schaden ist uns eine Freude!"

Die „Vulkangruppe NetzHerrschaft zerreißen“ gibt sich in ihrem Bekennerschreiben, das auf der linksradikalen Online-Plattform de.indymedia.org veröffentlicht wurde, scheinbar menschenfreundlich. „Wir haben heute ein paar wichtige Netzwerkverbindungen gekappt und dadurch den Zugriff auf unser Leben unterbrochen - ein bescheidener Beitrag, einen Moment unkontrollierbaren Lebens zu schaffen“, heißt es in dem Schreiben. Eine Gefährdung von Menschen sei ausgeschlossen worden. Und „der hoffentlich hohe wirtschaftliche Schaden ist uns eine Freude!“ Die Täter wollten Technologiekonzerne treffen, Ziel war aber auch „die Störung des Flughafens Tegel, der Bundes- und Landesverwaltungen, der Bundeswehr, der Flugbereitschaft der Bundesregierung“. So weit reichte der Schaden jedoch nicht. Montagabend war die Stromversorgung wiederhergestellt.
Die Sprache wie auch das Faible für Vulkane passten zu weiteren Brandstiftungen der vergangenen Jahre, sagen Sicherheitskreise. Die Serie begann im Mai 2011. In Friedrichshain setzten Täter, die bis heute unbekannt sind, am Bahnhof Ostkreuz eine provisorische Brücke mit Starkstromkabeln in Brand. Der Zugverkehr von S-Bahn und Deutscher Bahn wurde massiv getroffen und war tagelang gestört. Eine Gruppierung namens „Das Grollen des Eyjafjallajökull“ bezichtigte sich der Tat. Der isländische Vulkan war ein Jahr zuvor ausgebrochen. Die Aschewolken hatten den Flugverkehr in Teilen Europas beeinträchtigt.
Das hatte den linksextremen Brandstiftern offenbar gefallen. „Wir gehen in Streik und sabotieren den zerstörerischen Trott!“ hieß es damals im Bekennerschreiben. „Die Bevormundung und Beherrschung der Menschen ist der eigentliche Störfall in der Menschheitsgeschichte.“ Gewettert wurde dann auch gegen Atomkraft und Rassismus. Die Täter warfen zudem der Deutschen Bahn vor, mit ihrer Logistik an der Verbreitung von Rüstungsgütern beteiligt zu sein.

Seit 2013 war Ruhe - bis jetzt

Im Oktober 2011 folgten in Berlin und Brandenburg Anschläge mit Brandsätzen an Kabelschächten bei Bahntrassen. Zu den Taten bekannte sich „Das Hekla-Empfangskomitee - Initiative für mehr gesellschaftliche Eruptionen“. Hekla ist der Name eines weiteren Vulkans auf Island. Im Mai 2013 zündelte eine Gruppierung „Vulkan Grimsvötn“ an einem Verteilerkasten der Bahn zwischen den S-Bahnhöfen Wannsee und Westkreuz. Ein halbes Jahr später folgte ein Brandanschlag auf den Kabelschacht eines Mobilfunkmastes in Adlershof. Die Täter nannten sich „Anonymous/Vulkan Katla“. Auch Grimsvötn und Katla sind rauchende Berge in Island. Nach den Angriffen 2013 gaben die linksextremen Vulkanier Ruhe. Bis Montag.

Zur Startseite