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Eberhard Brockmann

© privat

Nachruf auf Eberhard Brockmann: Ein echter Proletarier!

Damals die Revolution, dann die Druckerei: Wenn er etwas machte, dann richtig

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Besonders groß war die Werkstatt nicht, die seine Eltern da hatten, eine Buchbinderei, in einem alten Backsteingebäude am Tempelhofer Damm. Es war ihre jeweils zweite Ehe, ihre großen Lieben hatten sie bereits gehabt, nun hieß es nach vorne schauen und anpacken. Auch Eberhard packte nach der Schule mit an, machte sauber, erledigte kleine Reparaturen und Klebearbeiten und bekam einen schmalen Lohn dafür. Außerdem half er der Mutter im Schrebergarten, jeder Apfel, jede Kartoffel zählte.

Die Mutter war findig: Einmal seilten sie ein Klavier aus einer Ruine ab. Ein anderes Mal schafften sie die Clubsessel aus einer verlassenen Jacht. Das zerbombte Mietshaus war fast unbewohnbar, aber für die Eltern, die Oma, Eberhard und den älteren Halbbruder reichte es. Die Oma war ein Glück für Eberhard. Sie schüttete ihre Liebe über ihn, sie hatte Zeit, und sie konnte so herrlich mit ihren Berliner Sprüchen auftrumpfen.

Realschule, Eberhard war ein schlechter Schüler und seine Klasse so ungehorsam, das sie in den Raum neben das Rektorat ziehen mussten. Die ersten Badges, die sie sich an ihre Jacken hefteten, waren die gegen den Krieg in Vietnam. Als diese ihnen verboten wurden, trugen sie welche für die Meinungsfreiheit. Als eine neue Lehrerin die Klasse übernahm, so mit dem Herzen bei den Schülern, so mütterlich, strengte sich Eberhard endlich an – für sie, aber seinem Abschluss kam das auch zugute. Der Vater war Buchbinder, der große Bruder ebenfalls, und Eberhard entschied sich für eine Drucker-Lehre. Die Druckerschwärze roch nach Zukunft, nach einer Branche im Aufschwung.

Nach der Anti-Springer-Demo ging es scharf nach links

Die Eltern seiner Freundin waren liberal, natürlich durfte er bei ihr übernachten. Im Jugendclub organisierte er eine Teestube und einen Wilhelm-Reich-Lesekreis, da ging es um die Massenpsychologie des Faschismus. Abends stellte Eberhard am Radio den SFB ein, der „S-F-Beat“ war seine Sendung. Die Löhne und Arbeitsbedingungen in seiner Druckerei empfand er als ausbeuterisch. Und gegen den Vietnamkrieg war er natürlich auch. Dann wurde Benno Ohnesorg erschossen und Rudi Dutschke angeschossen. Die Demo gegen die Springerpresse war Eberhards erste. Danach ging es scharf nach links, 1970 landete er bei der eben erst gegründeten KPD AO. Zwei Genossinnen mit einem „von“ im Namen überprüften ihn und befanden ihn für tauglich für den Klassenkampf: ein echter Proletarier!

Für die Partei heuerte Eberhard bei der Bundesdruckerei an, auch wenn diese damals unter Tarif bezahlte. Kurz auf das Grundgesetz geschworen und schon druckte er Pässe, Briefmarken und Steuerzeichen. Sein eigentliches Interesse galt aber den Kollegen, denen er von Imperialismus und Kommunismus berichtete. Sie wählten ihn zum Vertrauensmann. Außerdem trat Eberhard zur Abgeordnetenhauswahl an. Dumm nur, dass seine Genossen die Flugblätter mit seinem Namen und Foto direkt vorm Werkstor verteilten. Zwei Tage später wurde er vom Gelände geleitet.

Sein Vater starb, seine Oma starb, seine Mutter war schwer krank. Jeden Tag ging er zu ihr. Dann starb auch sie, und Eberhard, allein, erbte das Haus. Erst vermietete er, dann verkaufte er und trug die 120.000 Mark in Scheinen zu seiner Partei, alles für die Revolution.

Die Partei schickte ihn nach Köln. Als angestellter Funktionär für 800 Mark im Monat sollte er die Jugendorganisation mit aufbauen und die Zeitung „Kämpfende Jungend“ herausbringen. Eberhard hatte keine Ahnung vom Journalismus, doch er lernte. Und weil die Jugend nicht mit trockenen Erörterungen zu gewinnen war, interviewte er Udo Lindenberg und Konstatin Wecker, schrieb Konzertkritiken. Doch die Partei verlor an Schwung, kaum jemand wählte sie, die Mitgliederzahlen schrumpften. Ja, er hatte viel Praktisches in der Zeit gelernt. Aber darüber, wie dogmatisch sie damals waren, wie sie Stalin, Mao und die Roten Khmer verteidigten, konnte Eberhard später nur noch den Kopf schütteln.

Es war der heißeste Tag des Sommers

Er heuerte wieder als Drucker an, sein Chef war der umtriebige Rolf Henke, der von der „Kölner Stadtrevue“ über die „taz“ bis zur „Zweiten Hand“ alles druckte. Eberhardt allerdings musste eingestehen, dass er wirklich kein guter Drucker war. Im Organisieren und Verhandeln war er umso besser und wurde Leiter der Kölner Druckerei. Und er war immer im Dienst, auch im Urlaub am Strand, in London oder am Wochenende auf einem Fest. Damals die Revolution, jetzt die Druckerei: Wenn er etwas machte, dann richtig.

Mit Mitte 40 schien es ihm an der Zeit, eine Familie zu gründen. Er setzte eine Kontaktanzeige im „tip“ auf. Gundhild, Mitte 30, antwortete. Sie trafen sich, er verliebte sich, blieb dran bis sie „Ja“ sagte. Eberhard meinte es ernst, war zuverlässig, und brachte immer Blumen mit, wenn er von der Kölner Druckerei zurück nach Berlin kam.

Ein Sohn kam auf die Welt. Eberhard kümmerte sich, buddelte im Garten, schnitzte, las vor, spielte Schach und diskutierte. Er hatte aber auch klare Vorstellungen für seinen Sohn, Nützliches sollte er tun und nicht einfach ein Jahr auf Reisen gehen.

Klar, dass Eberhard selbst kein zurückgelehnter Rentner wurde. Der Karlplatz in seiner Nachbarschaft, sollte man den nicht schöner, einladender gestalten? Etliche Orte mehr in der ganzen Stadt fielen ihm auf, die er mit ein bisschen Arbeit, etwas Geld und Hilfe anderer schöner machen konnte. Gedacht, getan, Stiftung gegründet, Geld eingezahlt, eine Gärtnerin angestellt, das Grünflächenamt ins Boot geholt, und schon ging es los. In Moabit, Neukölln, Lichterfelde, überall pflanzten sie Sträucher, Stauden, Blumen, und die Bezirksämter stellten die Bänke auf. Setzte sich dann jemand drauf, hielt inmitten blühender Stauden sein Gesicht in die Sonne, dann wusste Eberhard, dass er etwas Gutes getan hatte.

Es war der heißeste Tag des Sommers, eben noch hatte er ein Nachbarschaftsfest mitorganisiert, da schnappte Eberhard sich den Besen, wollte noch den Gehweg fegen und fiel um, mitten im Tun.

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