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© dpa

Charlottenburg: Nadelstiche gegen Scientology

Vor der Zentrale der Organisation will der Bezirk eine Werbefläche zur Aufklärung nutzen. Das Plakat soll Kontaktadressen für Beschwerden und Beratungen nennen und über andere "okkulte Gruppen" informieren. Derweil hat Scientology anscheinend mit erheblichem Mitgliederschwund zu kämpfen.

Vor der Deutschland-Zentrale von Scientology an der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee soll ein Plakat vor der umstrittenen Organisation warnen. Das kündigte der Charlottenburg-Wilmersdorfer Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD) am Donnerstagabend am Rande der Präsentation eines Buches über Scientology im nahe gelegenen Rathaus an.

Nachdem die BVG den Wunsch des Bezirkes abgelehnt hatte, die Bushaltestelle vor der Scientology-Zentrale zu verlagern, um Fahrgäste vor Ansprachen von Scientology-Mitgliedern zu schützen, soll nun eine Werbefläche der Wall AG am Wartehäuschen der "Aufklärung" dienen. Das Plakat solle Kontaktadressen für Beschwerden und Beratungen nennen und auch über andere "okkulte Gruppen" informieren, sagte Schulte. Die Gestaltung werde noch mit der Senatsbildungsverwaltung abgestimmt, die seit kurzem eine "Leitstelle zu Fragen zu sogenannten Sekten und Psychogruppen" hat.

Scientology ist unerwünscht

Der erste Entwurf des Bezirksamts ähnelte einem Stoppschild, laut Schulte wünscht die Senatsverwaltung aber eine neutralere Darstellung. Scientology-Sprecherin Sabine Weber beklagt eine Vorverurteilung: In einem Schreiben an die Wall AG, welche die Werbefläche kostenlos zur Verfügung stellt, äußert sie "ernsthafte Zweifel daran, dass diese sogenannte Aufklärung auf dem Boden des Grundgesetzes steht". Denn Scientology nennt sich "Kirche" und beansprucht Religionsfreiheit. Dagegen sprechen Berliner Ämter von einem "Gewerbebetrieb".

Das Bezirksamt mache es Scientology so schwer wie möglich, sagte Stadtrat Schulte, der auch für das Ordnungsamt und Weiterbildung zuständig ist. Nach der Eröffnung der Deutschlandzentrale im Januar 2007 hatte die BVV diese einstimmig für "unerwünscht" erklärt. Schultes Verwaltung kontaktierte Lehrer und Elternvertreter aus nahe gelegenen Schulen, die das Thema Scientology seitdem auch im Unterricht behandeln. Zudem gingen Wirtschafts- und Ordnungsamt gegen große Infostände von Scientologen auf Straßen vor. Zelte, Heizstrahler und Stühle für Stände auf öffentlichen Plätzen wurden grundsätzlich untersagt.

Massiver Mitgliederverlust

Die Volkshochschule war jetzt Mitveranstalter der Buchvorstellung. "Scientology – Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will" heißt das Werk der Journalisten Frank Nordhausen und Liane von Billerbeck, die bereits vor 18 Jahren ein ähnliches Buch verfasst hatten. Herausgeber ist erneut der Berliner Linksverlag. Nordhausen sagte, Scientology stecke "in einer schweren Krise". Dies habe ein amerikanischer Anwalt und Scientology-Aussteiger gerade bei einer Konferenz in Hamburg berichtet. Das internationale Management in den USA habe früher mehr als 1100 Mitarbeiter beschäftigt, nun seien es "vielleicht noch 500", zitierte Nordhausen den Anwalt. Es gebe einen "massiven" Mitgliederverlust.

Das Buch schildert unter anderem, wie Berliner Politiker von der Eröffnung der Deutschland-Zentrale überrascht wurden und Scientology-Werber ihre Präsenz hier stark erhöhten. Als "Strategie" werten die Autoren, dass der US-Schauspieler und Scientologe Tom Cruise in Berlin seinen Stauffenberg-Film drehte. Nordhaus sieht zudem keine Anzeichen dafür, dass Berlins Verfassungsschutz Scientology wirksam beobachtet.

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